Sozialdemokraten für Schwarz-Grün

■ SPD-interne KritikerInnen finden Geschmack an einem Anti-Filz-Senat Von Florian Marten

Ein schwarz-grüner Senat soll nach der nächsten Bürgerschaftswahl für saubere Verhältnisse in Rathaus und Verwaltung sorgen – und den Grundstein für eine grundlegende Erneuerung der Hamburger SPD legen. Dieses spekulative Politkonstrukt gewinnt bei einer kritischen Avantgarde linker SozialdemokratInnen derzeit stetig wachsenden Anhang. Einflußreiche Kräfte bei CDU und Grünen sind nicht abgeneigt, dieser Vision zu politischer Wirklichkeit zu verhelfen. Die WählerInnen, so zeigen die letzten Umfragen, verschafften derzeit zumindest rechnerisch Schwarz-Grün eine satte Mehrheit.

Der Zirkel war von feiner, exklusiver Art, keines jener tristen Kellerparlamente oder Altona-Meetings, in denen GenossInnen dem mühsalbeladenen Geschäft des Machterhalts und Machterwerbs nachgehen. Geladen hatten einige SpitzensozialdemokratInnen, gekommen waren arrivierte Mitvierziger aus Wissenschaft, Wirtschaft, Medien und Gewerkschaft. Zwar verfügen alle über das rote Parteibuch – es stand bei den jeweiligen Karrieren durchaus nicht im Wege –, die meisten lassen es aber schon länger im privaten Karteileichenkästchen.

Angesagt war ein lockerer Austausch zwischen frustrierten, aber politisch durchaus noch sehr aktiven Partei-, Verwaltungs- und Parlamentssozis mit einer handverlesenen akademischen Elite, Thema des Meetings in privatem Ambiente: „Wo stehen wir, wohin gehen wir?“ Mit schonungsloser Offenheit sezierten die Politprofis den Zustand von Partei und Regierung: Tote Hose, Blockaden allüberall. „Mit der Absage an Rot-Grün im Herbst 1993 hat die SPD“, so der Gastgeber, „die Chance auf ihre überfällige Erneuerung vertan.“ Eine rot-grüne Regierungsbildung nach der Bürgerschaftswahl 1997 komme zu spät. Angesichts der Verkrustung des SPD-Apparates zeichne sich allenfalls ein müdes Zweckbündnis ab, vom dem keinesfalls der erforderliche Reformschwung für Stadt und Politik ausgehen könne.

Der Plausch gipfelte in einer bitteren Erkenntnis: „Die SPD ist gegenwärtig nicht koalitionsfähig“. Für erfolgreiche MacherInnen und Veränderungswillige biete die SPD derzeit keine Plattform. Skepsis herrschte auch, ob sich dies – das Reformpalaver des Parteichefs Jörg Kuhbier eingeschlossen – in absehbarer Zeit ändern wird.

“Vielleicht hilft nur noch eine Schocktherapie“, so eine Teilnehmerin: CDU und Grüne bilden einen Reformsenat, welcher der SPD Zeit für eine Atempause und zum Großreinemachen beim Führungspersonal gibt. Rot-Grün möglich machen durch ein Schwarz-Grünes Intermezzo? Während sich ein Teil der Versammelten mit dem Gedanken anfreunden konnte, schüttelten andere noch ungläubig das Haupt.

Dennoch macht der neue Gedanke mittlerweile weiter Karriere – in der SPD und auch anderswo. CDU-Smartie Ole von Beust köchelt die Idee bei jeder Gelegenheit, aber auch manche Grüne finden daran inzwischen Geschmack. Anders als die CDU können sie sich allerdings nicht öffentlich dazu bekennen: Da Hamburgs WählerInnen den katastrophalen Zustand der Hamburger SPD noch längst nicht in jenem Ausmaß wahrnehmen, welches professionelle Beobachter registrieren, würde das Wahlvolk, so warnen grüne VordenkerInnen intern, eine von der GAL geführte Schwarz-Grün-Debatte als Rechtsruck mißdeuten.

Aus dieser Sicht drängt sich eine andere Variante auf: Hamburgs Grüne spielen die neue Politkarte erst nach einer Bürgerschaftswahl und dann auch in erster Linie, um die SPD zu wirklichen Zugeständnissen zu zwingen. Sollte das, wie im Herbst 1993, nicht gelingen, so ein Spitzengrüner zur taz, „würden unsere WählerInnen vielleicht sogar einen schwarz-grünen Senat akzeptieren“.