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Hauptsache, zurück nach Afrika

■ Abschiebekandidaten werden Botschaften gleich mehrerer afrikanischer Länder als deren Staatsbürger angeboten, nur um für sie irgendwelche Pässe zu erhalten

Hannover (taz) – „Strukturell rassistische Praktiken“ bei der Abschiebung von Flüchtlingen aus Afrika wirft der niedersächsische Flüchtlingsrat den Ausländerbehörden und dem Bundesgrenzschutz vor. Um die für die Abschiebung notwendigen Paßersatzpapiere zu beschaffen, handle der Bundesgrenzschutz nach dem Motto „Hauptsache, weg nach Afrika“. Für die Beschaffung der Papiere würden afrikanische Flüchtlinge auf regelrechte Rundreisen durch Botschaften verschiedenster afrikanischer Staaten geschickt und dabei jeder als gerade deren Staatsbürger angeboten. Bei diesen Verfahren kommt es nach Ansicht des Flüchtlingsrates auf die tatsächliche Herkunft der Flüchtlinge kaum an. Wenn es gelänge, die nötigen Papiere zu besorgen, würden afrikanische Flüchtlinge auch in Länder abgeschoben, in denen sie nie zuvor gewesen seien.

Gestützt werden diese Vorwürfe auf Dokumente und Gedächtnisprotokolle von Flüchtlingen. Eins davon stammt von zwei Flüchtlingen, die Anfang des Jahres in der Oldenburger „Zentralen Anlaufstelle“ (ZASt) ihrer Abschiebung engegensahen. Die beiden Liberianer, die wegen des Bürgerkrieges in ihrer Heimat eigentlich nicht abgeschoben werden konnten, wurden am 11. Januar gleich zu vier afrikanischen Botschaften in Bonn geschickt: Mali, Liberia, Sierra Leone und Zaire. Die Gespräche in den Auslandsvertretungen dauerten, so die Flüchtlinge, nur ungefähr eine Viertelstunde.

Zaire habe für einen von ihnen zunächst Reisedokumente ausstellen wollen – angeblich, „um der deutschen Polizei zu helfen“. Dies unterblieb schließlich, als der Liberianer mit den Worten protestierte, er kenne niemanden in Zaire und könnte bei einer Abschiebung dort umgebracht werden.

Die Vorführung in der Botschaft Liberia „erbrachte auch keine Staatszugehörigkeit“, wie der Bundesgrenzschutz in einem Vermerk für einen der Flüchtlinge festhielt. Nach dessen eigenen Angaben war bei der Vorführung in der Heimatbotschaft kein Beamter zugegen, der die Muttersprache des Flüchtlings „Mendinka“ beherrschte, da sie nur eine von 16 in Liberia gesprochenen Sprachen ist.

Von der Liberianischen Botschaft wurde der BGS allerdings darauf hingewiesen, daß „Mendinka“ auch in der Republik Gambia gesprochen wird. Daraus schließt der BGS in dem zitierten Vermerk, daß es sich bei dem Flüchtling auch „um einen Staatsangehörigen der Republik Gambia handeln könnte“.

Auf Grundlage dieser Vermutung hat der Bundesgrenzschutz dann später auf unbürokratischem Wege ohne eine erneute Vorführung des Betroffenen dessen Abschiebung organisiert. Ein in Düsseldorf ansässiger Honorarkonsul von Gambia stellte bald darauf einen Ersatzpaß auf den Namen des Flüchtlings aus. Der galt nur für die Abschiebung und war bei der Ankunft dort wieder abzugeben. In der Rubrik „Zusammenfassung der Aussagen des Inhabers bei der Prüfung der Nationalität“, ist in den Notpaß schlicht eingetragen: „Stellungnahme der deutschen Behörden Grenzschutzdirektion Koblenz“.

Der Flüchtlingsrat fühlt sich dadurch in seiner Vermutung bestätigt, daß die abschiebenden Behörden sich tatsächlich auch Papiere von Staaten beschaffen, in denen die Betroffenen noch nie gewesen sind. Jürgen Voges

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