Israel tanzt

■ „Israel-Tage“ in Bremen: ein Blick in die Kultur der Gegenwart, mit Tanz, Literatur und koscherer Küche

„Und dann werden wir endlich lernen, wie man Gefilte Fisch macht“, sagte der jüdische Kaufmann Sven Parsser. Was für die Leser von Issac B. Singer, Joseph Roth und Mascha Kalekos Geschichten bislang Eindrücke waren, die sich nur übers bedruckte Papier vermittelten, soll nun sinnlich erfahrbar werden. Koscher Kochen, das steht in der Kulturbehörde in den nächsten zwei Monaten häufig auf dem Speiseplan. Vom 19. April bis 10. Juni tischen die Bremer Israel-Tage eine reichhaltige Tafel kultureller und kulinarischer Köstlichkeiten auf. Dargereicht werden sie vom Kultur Senat gemeinsam mit der Deutsch-Israelischen Gesellschaft. Gegenwärtige jüdische Alltagskultur mit Veranstaltungen zu Theater, Tanz, Musik und Literatur stellt ein begleitender Reader vor. Und mittendrin, „man nehme...“ Kochrezepte für koscheres Essen: Gefilte Fisch, Mazzekneidl und Apfel-Möhren- „Cymes“.

„Wir könnten doch jetzt langsam auch mal wahrnehmen, was im gegenwärtigen Israel passiert“, definiert Elvira Noa den Schwerpunkt der Israel-Tage. Gerade in Deutschland sei man so mit der Vergangenheitsbewältigung und Erinnerungsarbeit beschäftigt, daß der Blick auf die Gegenwart verstellt bleibe. „Oft ist doch nach den Gedenkveranstaltungen Schluß, aber es reicht nicht, sich immer nur mit den Toten zu beschäftigen“, sagt die Organisatorin und gläubige Jüdin. Die Israel-Tage wollen auch aus diesem Grunde nicht nur mit exportfähiger Hochkultur aufwarten.

Ein Schwerpunkt, der auf Jugend- und Alltags-Kultur liegt, soll die Lücke vom unbekannten Israel schließen helfen.

Prominente Hilfestellung gibt in Bremen die „Batsheva Dance Company“ aus Tel Aviv. Mit der führenden Tanztruppe Israels konnte man ein publikumswirksames Zugpferd für das Eingangsgastspiel „Mabul“ am 19. April im Theater am Goetheplatz gewinnen. Bereits 1964 wurde die legendäre Company vom Weltstar Martha Graham gegründet, eine ausgesprochen fruchtbare Zusammenarbeit ergab sich, auf die sich der internationale Ruhm der Company gründet. Seit 1990 wird die Tanztruppe von Ohad Naharin geleitet, einem Choreographen und Tänzer, der die Truppe mit neuem Leben erfüllt. Von ihm stammt auch die gezeigte Choreographie „Mabul“, was zu deutsch „Sintflut“ bedeutet.

Ein ganz anderes Verständnis von Tanz prägt die Beit-Hagefen-Volkstanzgruppe. Die aus Bremens Partnerstadt Haifa stammende Gruppe war bei ihrer Gründung das erste Projekt, bei dem das Miteinander von jüdischen und arabischen Jugendlichen in einem Kultur- und Jugendzentrum Haifas gelang. In der volkstanzbegeisterten Kultur Israels steht „Beit-Hagefen“ mittlerweile nicht nur für guten Tanz, sondern auch für ein multikulturelles Projekt, in dem man einander die Hände reichte, als die Kluft unüberbrückbar schien.

Neben der nicht ganz koscheren Klezmermusik im Rahmenprogramm des Kito, diversen Konzerten und einem Besuch des Tel Aviv Symphonie Orchester beim Bremer Domchor mit Schönbergs „Ein Überlebender aus Warschau“ und Brahms „Deutschem Requiem“ am 14. Mai halten die Israel-Tage mit Kinder- und Jugendliteratur einen weiteren Schwerpunkt der Alltagskultur bereit.

Mit Nava Semel, Dorit Orgad und Uri Orlev besuchen drei viel beachtete Kinderbuchautoren die Hansestadt. Zählen die beiden in Israel sehr populären Schriftstellerinnen zur „zweiten Generation“, ist Uri Orlev bereits 1931 in Warschau geboren. Der Autor, der die Figuren in seinen Kinderbüchern ums Überleben kämpfen läßt, hat selbst das Lager Bergen-Belsen erlebt. Zu einem Besuch in Bremen mußte er überredet werden. So fremd das gegenwärtige Israel für die meisten BremerInnen sein dürfte, auf der anderen Seite sind die Berührungsängste noch größer. Kinderbuchautor Uri Orlev kommt zur Lesung am 1. Mai zum zweiten Mal nach Deutschland.

Susanne Raubold