Die Sonnenblume wird gerupft

58 Bündnisgrüne wollen für die Abgeordnetenhauswahl kandidieren / Nur jede(r) dritte kommt durch Sechs Abgeordnete zählen zu den Rotationsopfern, Schreyer will nicht kandidieren  ■ Von Dirk Wildt

Bei den Bündnisgrünen werden in den nächsten Monaten die Ellenbogen eingesetzt. 58 Leute wollen auf einen aussichtsreichen Platz der Landesliste für die Wahl am 22. Oktober, die ein Parteitag Ende Mai aufstellen wird. Die Zahl der aussichtsreichen Plätze wird sich aber nur auf etwa 18 belaufen. Denn da das Parlament in der nächsten Legislaturperiode von derzeit 241 Abgeordneten auf höchstens 200 Mitglieder schrumpfen wird, wird die 21köpfige Fraktion selbst dann kleiner ausfallen, wenn die Grünen ein besseres Wahlergebnis holen als vor viereinhalb Jahren. Da nur jeder dritte Bewerber Chancen auf einen aussichtsreichen Listenplatz hat, rechnen Parteistrategen mit einem harten Konkurrenzkampf.

Auffällig an der Kandidatenliste der Landesgeschäftsstelle ist vor allem, daß sich nur ein Drittel Frauen bewerben. Unter den Bewerbern zählen die Mitglieder der jetzigen Fraktion selbstverständlich zu den populärsten. Von 21 Abgeordneten wollen 15 wieder in das Parlament. Rund die Hälfte der 58 Bewerber der Nominierungsliste haben sich in der Vergangenheit innerparteilich, kommunalpolitisch oder außerparlamentarisch engagiert, und das restliche Viertel ist eher unbekannt.

Im Gegensatz zu anderen Parteien darf allerdings nicht jeder kandidieren. Wer bereits zwei Legislaturperioden einem Parlament angehört oder in gleichwertiger Funktion etwa als Senator oder Staatssekretär gearbeitet hat, fällt unter die sogenannte Rotationsregel: Die Bewerbung um einen Listenplatz ist nur möglich, wenn zuvor zwei Drittel des Parteitags einer Ausnahme zustimmen. Sechs der 15 Abgeordneten sind im Mai darauf angewiesen: Hartwig Berger (Umwelt), Michael Cramer (Verkehr), Bernd Köppl (Gesundheit), Renate Künast (Inneres), Wolfgang Lehmann (Stadtplanung) und Sybille Volkholz (Bildung). Für Fraktionschef Wolfgang Wieland war auf einer Landesdelegiertenkonferenz eine später als „Lex Wieland“ bezeichnete Ausnahme beschlossen worden. Wieland, der sich gegen die Sonderregelung wehrt, will im Mai deshalb nur kandidieren, wenn zuvor die nötigen 67 Prozent des Parteitags zustimmen. Die haushaltspolitische Sprecherin und ehemalige Umweltsenatorin Michaele Schreyer hat beim Landesverband bislang keine Kandidatur angemeldet. Sie würde ebenfalls zu den „Rotationsopfern“ zählen.

Vom Landesvorstand der Partei bewerben sich mit Michael Haberkorn und Helga Metzner zwei Mitglieder der Parteispitze. Haberkorn hatte sich in den letzten Wochen dafür ausgesprochen, sich in der nächsten Legislaturperiode von der PDS tolerieren zu lassen, sollte das Wahlergebnis für eine rot-grüne Regierungsmehrheit nicht ausreichen. Metzner hatte dagegen der Tolerierung eine klare Absage erteilt.

Zu den bekannteren Bewerbern auf der „58er Liste“ zählen außerdem Carsten Körnig, der in seiner Rolle als Greenpeace-Aktivist Bausenator Wolfgang Nagel (SPD) immer wieder wegen umweltbelastender Politik auf die Finger gehauen hat. Anselm Lange arbeitet zur Zeit als persönliche Referentin der Bundestagsabgeordneten Andrea Fischer und ist im Schwulenbereich engagiert. Ingrid Lottenburger hat sich innerparteilich der Frauenpolitik verschrieben. Barbara Oesterfeld aus Kreuzberg zählt zu den bedeutendsten Lokalmatadoren der Bündnisgrünen. Norbert Schellberg führt als einer der beiden Landesgeschäftsführer die Geschicke des Landesverbandes.

Ida Schillen war maßgeblich am Erfolg des Frauenstadtteilzentrums „Schokofabrik“ beteiligt. Christiane Schnellen ist im Lesbenbereich aktiv, Alice Ströver sitzt für Bündnis 90/ Die Grünen im Rundfunkrat des SFB. Jean-Jerome Chico Kaleu Muyemba ist kein Parteimitglied, will aber auf der offenen Liste kandidieren. Bei der Bundestagswahl im vergangenen Jahr hatte Muyemba vergeblich versucht, in Potsdam ein Direktmandat zu gewinnen.