Zeit der Wölfe Von Andrea Böhm

In Idaho gibt es relativ wenig Menschen, relativ viele Kartoffeln. In Idaho könnte Bill Clinton dieser Tage nicht öffentlich auftreten, ohne das Risiko in Kauf zu nehmen, von einer solchen Erdfrucht getroffen zu werden. Idaho gehört zu jenen US-Bundesstaaten, in denen man überdurchschnittlich schlecht auf den Präsidenten im besonderen und die Bundesregierung im allgemeinen zu sprechen ist. Zaghafte Versuche derselben, die lokalen Holz- und Bergbaufirmen sowie die Rancher mit ökologischem Gedankengut vertraut zu machen, hat zu heftigsten Gegenreaktionen geführt – bis hin zu wilden Cowboyschwüren, daß man jeden Vertreter der verhaßten Bundesadministration mit Blei vollpumpen werde, falls diese einem vorschreiben will, wieviele Bäume man abholzen, wieviele Rohstoffe man ausbuddeln oder welches Weideland man seinen Rindern zum Fraß geben darf. „Umweltschutz“ ist in solchen Kreisen gleichbedeutend mit „Liberalismus“, „Staatsterror“ und „Maul- und Klauenseuche“; der „Endangered Species Act“, das Gesetz zum Schutz der vom Aussterben bedrohten Tierarten, gilt als Produkt verweichlichter Bürokraten, die einfach nicht kapieren wollen, daß in der Natur nur die Stärksten überleben.

Folglich brach unter den aufrechten Bürgern Idahos ein ungemeines Geheul los, als Vater Staat Anfang des Jahres eine Tierart wiederansiedelte, mit der man eigentlich schon fertiggeworden zu sein glaubte.

Im benachbarten Kanada hatte die US-Regierung vierzehn lebendige Wölfe bestellt, um sie in Idaho auszusetzen – in der Hoffnung, lupus würde im benachbarten Yellowstone Nationalpark das natürliche Gleichgewicht wiederherstellen. Denn dort gibt es mittlerweile einen Überschuß an Wild und an Büffeln. Und dies, obwohl man inzwischen in der entlegendsten Rocky-Mountain-Kneipe den Hamburger mit Büffelfleisch bestellen kann.

Sieben Millionen Dollar an Steuergeldern kostet die Angelegenheit – nicht etwa, weil die kanadische Regierung ihre Wölfe so teuer verkauft, sondern weil die US-Regierung über die nächsten Jahre beobachten lassen will, wie sich die Importe (neun Männchen, fünf Weibchen) auf mindestens hundert vermehren. Dann will man die Gattung lupus von der Liste der bedrohten Tierarten streichen. Der Vollständigkeit halber sei angemerkt, daß deren Fast- Ausrottung ebenfalls auf Kosten des Steuerzahlers erfolgte. Im 19. Jahrhundert finanzierte die Bundesregierung eine groß angelegte Giftköderkampagne, um den Wölfen den Garaus zu machen.

Im US-Kongreß schreien nun die „Republikaner“ Zeter und Mordio, zumal nach Ansicht ihres Mitglieds Sonny Bono (einst bekannt als Quietschstimme im Duett „Sonny and Cher“) das Problem der bedrohten Tierarten am besten dadurch gelöst werde, indem man sie auf einem Fleck versammle und in die Luft sprenge. So ähnlich stellen sich das auch die Rancher vor und laden ihre Knarren durch. Einen der Wölfe haben sie bereits abgeschossen. Gegen den Rest wird derzeit vor Gericht geklagt. Verliert die Regierung, müssen die dreizehn noch lebenden Wölfe wieder eingefangen und nach Kanada zurücktransportiert werden. Oder sie bleiben. Als illegale Ausländer.