Althippies und Anarchos in Scherben?

■ betr.: „Fernsehen in Scherben“, „Kaputtsaniert“ (Der „Tatort“ aus Bayern widmete sich dem Häuserkampf), taz vom 4. 4. 95

Wenn ich mir die Kritiken zum Tatort in der taz durchlese, kommt es mir so vor, als ob sich einige Alt-68er auf den Schlips getreten fühlten. Seid Ihr so peinlich an Euch selbst erinnert worden, daß Ihr jetzt fordern müßt: „Besser, der Bildschirm wäre schwarz geblieben?“ Fragt Euch doch lieber: „Wie hätten wir so etwas verhindern können?“ Eure abgehobene Kritik über Leute, die „Euer“ Lager verlassen haben und trotzdem noch etwas Ehrliches behalten haben und Lichtgestalten spielen, könnt Ihr Euch sparen, solange Ihr nicht mit der gleichen Polemik Euch selbst kritisiert. Aber solange Ihr es Euch mit Sekt auf dem Designersofa vor dem Sony-Farbfernseher gemütlich macht, wird daraus wohl genausoviel wie aus Eurer großen Revolution.

Wenn Ihr Euch schon über das Verhältnis zwischen Reinhard und seine alten Mitstreiter wundert und lustig macht, dann fragt doch mal Irmgard Möller, wie sie (wenn überhaupt) ihre alten Bekannten erlebt hat, als sie aus dem Knast kam? [...] Oder fragt Euch, ob das, was Ihr erreicht habt, das ist, wofür Ihr gekämpft habt. Selbst schuld, wenn Eure Ideale nur noch aus Scherben bestehen und Ihr zur „werbeumworbenen Zielgruppe“ für Bier „avanciert“ seid. Selbst schuld, wenn Eure Lederjacke nur noch im Schrank hängt. Die hättet Ihr besser Euren Kindern geschenkt. Die könnten damit vielleicht noch was anfangen.

Falls Kommentar und Kritik aber mißglückte Selbstironie waren, dann tut es mir gewaltig leid für Euch, und ich entschuldige mich gleich jetzt für diesen Brief. Tobias Thomas