Bremer Billig-Pflege

■ „Paritätischer“ verweigert Leistungsvertrag mit der Pflegeversicherung / Angebot: 38,50 Mark pro Stunde

Gerade mal zwei Wochen ist die Pflegeversicherung in Kraft – und schon gibt es in Bremen den ersten Eklat um ihre Leistungen. Am Donnerstag ließ der Paritätische Wohlfahrtsverband die letzte Frist für die Unterzeichnung der Leistungsvereinbarung mit den Pflegekassen verstreichen. Mit dem von den Kassen angebotenen Stundensatz von 38,50 Mark lasse sich eine qualitiativ gute Pflegeleistung einfach nicht anbieten, hieß es zur Begründung. Jürgen Wäcke, Geschäftsführer des Paritätischen: „Mit diesem Satz kann man keine tariflichen Mitarbeiter beschäftigen, und das geht dann am Ende auch zu Lasten der Pflegebedürftigen.“

Die fünf anderen Bremer Wohlfahrts-Spitzenverbände – Rotes Kreuz, ASB, AWO, Diakonisches Werk und Caritas – haben den angebotenen Stundensatz von 38,50 Mark allerdings akzeptiert. „Das ist für uns natürlich eine schwierige Situation“, sagt Geschäftsführer Wäcke vom „Paritätischen“, „aber tatsächlich kommt doch heutzutage kein einziger Dienstleister vom Klempner bis zum Schlüsseldienst mit einem Stundensatz unter 50 Mark aus.“

Die Zustimmung der anderen Wohlfahrtsverbände zum Bremer Pflegesatz von 38,50 Mark pro Stunde kann er sich nur damit erklären, daß inzwischen überall immer mehr ungelerntes Pflegepersonal eingesetzt und weit unter Tarif bezahlt werde. So sei zum Beispiel die katholische Caritas in Bremen inzwischen der einzige Verband, der Hauspflegekräfte überhaupt noch nach Tarif entlohnt.

Tatsächlich liegt der Bremer Abschluß auch bundesweit ganz hinten. So wurden in Hessen und Baden-Württemberg bereits Stundensätze von 54 bzw. 51 Mark vereinbart. Und selbst in Thüringen und Sachsen, wo der Tariflohn noch immer um rund 20 Prozent unter dem Westlohn liegt, liegen die Stundensätze mit 39 Mark um 50 Pfennig über dem Bremer. In Niedersachsen wurden die Verhandlungen auf höchster Ebene gerade für gescheitert erklärt, und die Wohlfahrtsverbände sind mit einer Forderung von 54 Mark gegenüber einem Angebot von 42 in das Schiedsstellenverfahren gegangen.

Warum die Pflegekassen ausgerechnet in Bremen so billig davonkommen, kann sich auch Peter Schneider, Verhandlungsführer der Kassen und Leiter des AOK-Kundenzentrums nicht recht erklären. „Das ist ein sehr komplexes Thema“, fällt ihm dazu ein, und: „Vor Beginn der Pflegeversicherung war die Bezahlung der Pflegeleistungen im Auftrag der Sozialämter auch sehr unterschiedlich; da lag Bremen ebenfalls am unteren Ende.“

Das Ausscheren des „Paritätischen“ aus der Bremer Vereinbarung sei zwar nicht erfreulich, er halte es aber auch noch nicht für das letzte Wort, so Schneider. Schließlich sei man mit der Pflegeversicherung in jeder Beziehung erst in der „Erprobungsphase“. Und ab 1996 werde es dann sowieso „für jede einzelne Einrichtung unterschiedliche Leistungsvergütungen“ geben.

Während die Pflegekasse trotz Ablauf der Unterzeichnungsfrist auf weitere Gespräche über die Leistungsvereinbarung setzt, ist beim „Paritätischen“ schon vom Sozialgericht die Rede, das im Zweifel über die angemessene Vergütung der Pflegeleistungen entscheiden müsse. Ase