Mülltourismus im Sonderangebot

■ MVA Altenwerder: Müllkonflikt zwischen Hamburg und Landkreis Harburg Von Heike Haarhoff

„Dieser gesamte Müllkomplex ist mafiös“, wütet Harald Stemmler, stellvertretender Fraktionsvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen im Kreistag Harburg. Jüngstes Ärgernis in Sachen Abfallpolitik ist für den Grünen-Politiker „ein Verbrennungs-Deal mit Hamburg, den uns der Oberkreisdirektor als Sonderangebot angepriesen hat.“ In dem Abkommen zwischen dem Landkreis Harburg und der Stadt Hamburg, das zur Zeit in Form eines „Vor-Vertrags“ besteht, ist vorgesehen, daß in der geplanten Müllverbrennungsanlage Altenwerder ab 1997 jährlich 60.000 Tonnen Hausmüll aus dem angrenzenden Lankreis verfeuert werden. Für jede Tonne Abfall soll der Landkreis 295 Mark blechen. „Viel zu teuer“, findet Harald Stemmler angesichts der 230 beziehungsweise 220 Mark pro Tonne, die die Landkreise Celle und Lüneburg zur Entsorgung ihres Mülls an eine MVA in Braunschweig zahlen.

Auf seine Pflicht, Vergleichsangebote einzuholen, um „den gesetzlichen Erfordernissen der sparsamen und wirtschaftlichen Haushaltsführung Rechnung zu tragen“ machte Stemmler den Landkreis in der vergangenen Woche in einem Schreiben aufmerksam. „Die thermische Verwertung ist die schlechteste und teuerste Lösung“, sagt Stemmler, der noch aus einem anderen Grund die Abfallpolitik seines Landkreises für verfehlt hält: Bei der Verbrennung bleiben 40 Prozent der ursprünglichen Müll-Menge als Schlacke übrig.

Laut Vertrag soll der Landkreis davon aber genauso viel zurücknehmen, wie er an Abfall geliefert hat. „Auf diese Weise wird Hamburg ganz geschickt seinen eigenen Müll los“, durchschaut Stemmler die Taktik. „Die Schlacke wird uns dann als günstiges Material für den Straßenbau verkauft.“ Gutachten belegten jedoch das genaue Gegenteil über die Qualität der Schlacke.

Die Kreis-Grünen fordern eine eigene Deponie im Landkreis, „um den Mülltourismus zu stoppen.“ Der hatte erst vor zwei Wochen für Wirbel gesorgt: Die Abfallgebühren auf der Schönberger Deponie in Mecklenburg-Vorpommern waren – mit Gewinnspannen von bis zu 40 Prozent – so unverhältnismäßig hoch, daß sie selbst dem Landesrechnungshof in Schwerin auffielen: Der Kreis Harburg zahlte aufgrund eines 1991 geschlossenen Vertrags 190 Mark pro Tonne Müll einschließlich Transport an die Deponie. Der dortige Eingangspreis betrug damals aber nur 115 Mark. Nachdem die Vorwürfe öffentlich geworden waren, kündigte der Kreis am 31. März an, neue Verträge mit der Schönberg-Deponie auszuhandeln und vor allem von der Vermittlerfirma andere Preise und eine Offenlegung der Kalkulation zu fordern.

„Diese ganze Privatisierung des Müllgeschäfts hat uns finanziell und politisch nur Nachteile gebracht“, kritisiert Stemmler. Die privaten Abfallentsorger seien nur am Profit und überhaupt nicht daran interessiert, das niedersächsische Abfallvermeidungsgebot umzusetzen.

So wurde bei der Einführung der privaten Müllabfuhr vor zwei Jahren eine starre Personen-Mindestgebühr festgelegt und Tonnen, die weniger als 80 Liter fassen, abgeschafft. Jährlich entstanden rund vier Millionen Mark zusätzliche Kosten. Stemmler strengte daraufhin ein Normen-Kontroll-Verfahren an. Mit Erfolg: Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg erklärte Ende März die Gebührensatzung des Kreises rückwirkend für nichtig, weil sie nicht dem Vermeidungsgebot entspreche.

Für Stemmler ist das ein erster Schritt in die richtige Richtung. Aus dem gröbsten Dreck heraus ist die Abfall-Politik damit aber noch nicht.