Im Zweifelsfall Abschiebung

■ Familienvater und Minderjährige sollen abgeschoben werden / GAL, Kinderschutzbund und Juristen üben scharfe Kritik Von Silke Mertins

Als Haji-Abdul Shakoor Zahid am 23. März zur Ausländerbehörde kam, um seine „Duldung“ zu verlängern, erlebte er eine böse Überraschung: Die Behörde ließ den abgelehnten Asylbewerber aus Pakistan, der der verfolgten Ahmadi-Religionsgemeinschaft angehört, gleich in Abschiebehaft nehmen. Begründung: Der Familienvater könne den Unterhalt für seine sechsköpfige Familie nicht bestreiten.

Daß Shakoor Zahid bereits seit 10 Jahren mit seiner Frau in Hamburg lebt, drei seiner vier Kinder hier geboren wurden und er sich schon lange vergeblich um eine Arbeitserlaubnis bemüht, läßt die Ausländerbehörde nicht gelten. „Eine Arbeitserlaubnis zu erteilen, liegt nicht in unserer Befugnis, sondern ist Sache des Arbeitsamtes, einer Bundesbehörde also“, rechtfertigte Ausländerbehörden-Sprecher Norbert Smekal die absurde Situation, dem pakistanischen Flüchtling die nicht erlaubte Erwerbstätigkeit vorzuwerfen.

„Die Ausländerbehörde hat Ermessensspielräume, die sie nicht nutzt“, schimpfte hingegen die GALierin Anna Bruns gestern gegenüber der taz. Für die Familie Zahid macht sich aber nicht nur die GAL stark. Auch das Deutsche Rote Kreuz und die LehrerInnen der Kinder machen gegen die Abschiebung des inhaftierten Familienvaters mobil; mit einem Appell an den Petitionsausschuß der Bürgerschaft wollen sie die Abschiebung Zahids aus humanitären Gründen verhindern. „Mit großer Bestürzung und absolutem Unverständnis“ haben die LehrerInnen die Inhaftierung Zahids zur Kenntnis genommen: „Es kann doch nicht Ihr Ernst sein, daß diese Familie, die seit 10 Jahren in Hamburg lebt, nun aus mehr als fadenscheinigen Gründen auseinandergerissen werden soll“, heißt es im Begleittext zur Petition.

Ebenfalls in der Grauzone des behördlichen Ermessensspielraums liegt die Abschiebung unbegleiteter Flüchtlingskinder unter 16 Jahren. Während Hessen zum Ärger von Bundesinnenminister Kanther (CDU) einen generellen Abschiebestopp für Flüchtlingskinder unter 16 Jahren praktiziert, hat Hamburg die Abschiebung Minderjähriger bestenfalls vernachlässigt. Als „Generalprävention mit Bauchschmerzen“ – so GALierin Anna Bruns – habe die Hansestadt schon oft minderjährige Flüchtlinge aus Rumänien abgeschoben, um zu verhindern, daß sich dort „die Waisenhäuser entleeren“.

Eine, die es in den berüchtigten Kinderverwahranstalten Rumäniens nicht mehr aushielt, ist Ramona B. Sie floh im vorigen Jahr im Zwischendeck eines Zuges nach Hamburg und lebt seither in einer Harburger Jugendwohnung. Als die Ausländerbehörde ihre Abschiebung für den 22. März festlegte, versuchte die 15jährige, sich mit Tabletten das Leben zu nehmen. Trotzdem blieb die angedrohte Abschiebung bestehen. „Wenn Ramona abgeschoben wird, besteht die Gefahr, daß sie unter die Räder kommt“, befürchtet Bruns und fordert einen generellen Abschiebestopp für Kinder und Jugendliche unter 16.

Die Kinderschutzorganisationen setzen sich schon lange dafür ein, daß Kinder und Jugendliche aus dem allgemeinen Verfahren herausgenommen werden. „Minderjährigen unter 16 sollte von vornherein eine Duldung erteilt werden“, so Uwe Hinrichs vom Kinderschutzbund. Die UN-Kinderrechtskonvention sieht das auch so vor. Danach haben unbegleitete Kinder „Anspruch auf den besonderen Schutz und Beistand des Staates“. Die Bundesregierung hat die Konvention allerdings nur unter Vorbehalt angenommen: Lediglich Kinder, die legal einreisen, haben Anspruch auf Schutz. Der Hamburger Völkerrechtler Norman Paech hält den deutschen Sonderweg – Illegalität geht vor Kinderrecht – für „nicht rechtmäßig“, weil damit der Sinn der UN-Konvention „mittels Vorbehalt unterlaufen“ würde. „Das kann bis vors Bundesverfassungsgericht gehen.“ Interessant sei außerdem, so Paech, daß die Bundes-SPD gegen den Vorbehalt gestimmt hat, während die Hamburger SPD illegal eingereiste Flüchtlingskinder abschiebt.

Die Hamburger Ausländerbehörde ließ indes gestern auf Anfrage der taz verlauten, sie wolle sowohl Ramonas Abschiebung als auch die des pakistanischen Familienvaters Shakoor Zahid noch einmal „von allen Seiten prüfen“.