Alles auf Rädern

■ Bremer Buchlese (11): Wie baue ich einen Kübelwagen? Was war Lloyd? Was war Borgward? Der Bogenschütz Verlag macht Bücher für alles auf Rädern

Der Ein-Raum-Verlag platzt langsam aber sicher aus den Nähten. Einige Regalmeter Aktenordner sind bereits auf den Flur ausgelagert und verengen dort den Durchlaß. Aber noch kann Peter Kurze, Verlagsleiter, Lektor und Redakteur in Personalunion, sein Unternehmen vom heimischen Schreibtisch aus überblicken und lenken.

Der studierte Betriebswirt und Maschinenbauer kam auf Umwegen zu seinem Verlag. Ursprünglich verdiente er sein Geld mit einem Ersatzteilhandel für Oldtimer. Doch weil Betriebswirte immer genau wissen wollen, wo ihr Geld herkommt und wo es hingeht, hatte er von Anfang an einen Computer, mit dem er sich eine monatliche Verkaufshitliste aufstellte. Und zu seinem größten Erstaunen wurde sie regelmäßig von den Reparaturanleitungen für alte Autos angeführt, die er eigentlich nur so nebenbei verkaufte. Und nicht etwa von Stoßstangen, Kurbelwellen oder Ölfiltern.

Das führte dazu, daß er selbst in die Tasten griff und einen Zusammenbauplan und eine Betriebsanleitung für den VW Kübelwagen verfaßte. „Ich zeig– das Buch nicht mehr so gern her, denn damals hatte ich wirklich noch keine Ahnung vom Büchermachen,“ geniert sich der Autor. Trotz der einfachen Aufmachung verkaufte sich das Kübel-Buch recht gut und machte Peter Kurze Mut, weitere Projekte in Angriff zu nehmen.

Als begeisterter Motorradfahrer gründete er 1989 zusammen mit einem Freund die Motorradzeitschrift „Gummikuh“, worunter Biker eine BMW aus den 60er Jahren verstehen (der Name steht für das Fahrverhalten in Kurven). Doch nach vier Jahren steigt er aus dem Projekt aus, weil er erstens lieber in Ruhe Bücher machen will und zweitens als frischgebackener Vater zu Hause arbeiten möchte.

Er gründete den Bogenschütz Verlag. Hier sind Automobilliteratur und Motorradbücher das Spezialgebiet. Doch Peter Kurze geht es nicht darum, wie man einen Manta schneller, tiefer, breiter macht oder sich mit der neuen Suzuki in den Motoradhimmel tunt, sondern ausschließlich um Geschichte und Pflege von zwei- und vierreifigen Oldtimern.

Besonders die Bremer Firmen Lloyd und Borgward haben es ihm angetan. „Wenn man anfängt, sich hier umzuhören, dann ergeben sich die Themen für neue Bücher fast von selbst,“ erzählt der Verleger.

Und das Umhören und Zuhören sind ihm wichtig, denn „noch gibt es Zeitzeugen in Bremen, und was die mir erzählen können, das finde ich in keinem Buch.“ Die Erinnerungen dieser ehemaligen MitarbeiterInnen von Lloyd und Borgward sind wahre Fundgruben. So ist es ihm vor kurzem gelungen, das Fotoarchiv des Lloyd Werkfotografen zu erwerben, 12000 Fotos, von denen 300 jetzt im neuesten Buch des Bogenschütz Verlages „Wer den Tod nicht scheut, fährt Lloyd“ zu sehen sind.

Um nachvollziehen zu können wo die Aufnahmen gemacht wurden, hat Peter Kurze das Lloyd-Werkgelände aus Lego nachgebaut und so die Standpunkte herausgefunden. Ein Vergleich mit den Baudaten der Gebäude lieferte dem Foto-Detektiv dann meist den entscheidenden Hinweis. „Wenn man mit solchen historischen Aufnahmen arbeitet, darf man nicht schludern, da muß man sich schon ein bißchen Mühe geben“, erklärt der Autor den Aufwand. Seine größte Sorge ist, daß alte Fotos und Aufzeichnungen einfach weggeworfen werden. „Gerade wenn jemand gestorben ist, wandern diese Dinge oft in den Müll, denn die Verwandten wissen damit nichts anzufangen.“ So überwindet er sich auch schon mal und schreibt einen Brief an die Hinterbliebenen und bittet sie, alte Fotos dem Staatsarchiv oder ihm zu überlassen.

Und weil es noch so viele Geschichten gibt, die sich lohnen aufgeschrieben zu werden, hat er Anfang des Jahres zusammen mit Andrea Ziesemer den KSZB-Verlag gegründet, der sich um Bremer Geschichten kümmern will. Als erstes Projekt haben die beiden jetzt einen Bildband über die Geschichte der Bremer Luftfahrt herausgegeben. Mit diesem Buch wollen sie auf den internationalen Markt. „Die Fliegersprache ist englisch, in Kenia genauso wie in Mexiko, deshalb haben wir das Buch zweisprachig, deutsch-englisch, produziert, damit es die Luftfahrt-Fans weltweit lesen können. Bremen hat in der Luftfahrt eine wichtige Rolle gespielt, deshalb war es wichtig, diese Geschichte mal zu dokumentieren,“ sagt Peter Kurze.

Daß in dieser Geschichte Henrich Focke eine zentrale Figur ist, wissen viele, aber daß er in Bremen den ersten lenkbaren Hubschrauber konstruierte und schon 1907 mit einem Hängegleiter den Osterdeich hinuntersegelte, ist sicher nicht so bekannt. Durch seine Recherche für das Luftfahrt-Buch bekam Peter Kurze auch Fockes Memoiren in die Finger – ein neues Projekt. „Ich hätte nie vermutet, daß ein Ingenieur so schön schreiben kann,“ begeistert sich der Verleger, „aber wie Focke die damalige Bremer Gesellschaft beschreibt, das ist einfach köstlich.“

Gudrun Kaatz