Hungerstreik auf der Embrica Marcel

■ 250 Flüchtlinge protestieren gegen die Unterkunft auf dem Schiff im Kohlehafen

Als die MedienvertreterInnen gestern um 13 Uhr auf dem Asylschiff im Kohlehafen eintrafen, zeigte die Polizei dort bereits massive Präsenz. Anlaß war der am Morgen vom Flüchtlingskomitée ausgerufene Hungerstreik. „Wir wollen nicht auf dem Schiff wohnen“, zeigte ein Transparent an der Bordwand den Grund der Aktion an.

Gegen großen Protest in der Öffentlichkeit war die Embrica Marcel im April 93 von der Stadt für 400 Flüchtlinge gechartert worden. Die Embrica Marcel ist eine von vier Bremer Sammelunterkünften mit Gemeinschaftsverpflegung. Von den zur Zeit 370 angemeldeten Männern leben real etwa 250 auf dem Schiff, erklärte Ortun Calisir, Sprecher der Initiative „Flüchtlingssolidarität Bremen“ und Dolmetscher des Streikkomitées. Die meisten von ihnen sind Kosovo-Albaner, Afrikaner und Kurden.

Asylsuchende werden in der Regel nach drei Monaten aus den Erstaufnahmeeinrichtungen in eine Sammelunterkunft mit Gemeinschaftsverpflegung verlegt. Erst nach einem Jahr dürfen Flüchtlinge in Sammelunterkünfte mit Eigenversorgung umziehen. Viele Bremer Flüchtlinge aber leben, anders, als das Gesetz es vorsieht, schon sehr viel länger als ein Jahr auf dem Schiff. Im Februar, als die Bewohner sich zum wiederholten Male an die Öffentlichkeit wandten, waren es 57, sagt Calisir. Bislang seien nur 20 von ihnen in die besseren Folgeeinrichtungen verlegt worden. 7 Bewohner hätten eine Privatunterkunft gefunden, doch das Sozialamt habe auf Anweisung der Sozialbehörde die Übernahme der Miete verweigert.

„Wir wollen nicht mehr auf dem Schiff leben. Das sind Zustände wie in einem Konzentrationslager“, meint Komitéemitglied Kader Akbaba. „Die Unterbringung auf dem Schiff entspricht einem System, uns von der Gesellschaft völlig abzuschotten.“ Mostagh Khalili vom Rat der iranischen Flüchtlinge ergänzt: „Wir sind als Flüchtlinge hergekommen, aber hier dreht man völlig durch. Es wäre besser gewesen, in unserem Land zu bleiben, wo wir umgebracht werden, als hier zu leben.“

Alle Bewohner beteiligen sich am Streik, denn sie wollen so schnell wie möglich runter vom Schiff. Daß das in absehbarer Zeit nicht alle schaffen, wissen sie. Daher fordern sie in 15 weiteren Punkten Verbesserungen für den Alltag auf der Embrica Marcel: Das Essen sei erbärmlich, heißt es übereinstimmend, die Flüchtlinge wollen selber kochen. Auch die Wäsche wollen sie lieber selber waschen. Das Taschengeld, das normalerweise im ersten Jahr 80 Mark monatlich beträgt, solle generell auf 200 Mark aufgestockt werden. Eine Bibliothek soll neben täglich drei Stunden Deutschunterricht die „verwaltete Langeweile“ aufbrechen. Weil die Flüchtlinge sich am Kohlehafen völlig abgeschnitten von der Stadt fühlen, fordern sie zusätzlich zu dem einzigen installierten zwei zusätzliche Telefone sowie eine BSAG-Karte. „Wir hören erst mit dem Hungerstreik auf, wenn alle unsere Forderungen erfüllt sind“, erklärt Kadar Akbaba. Selbst auf Forderungen wie den Zebrastreifen vor der Bushaltestelle wollen sie unter keinen Umständen verzichten.

Heiko Hergert, beim Sozialressort zuständig für das Asylschiff, gibt der Realisierung der Forderungen kaum eine Chance. Beim Essen, meint er, ließe sich vielleicht noch etwas machen. Aber betreffs Taschengelderhöhung oder BSAG-Karte sei nun mal nichts drin: „Da müßte das Land Bremen aus den Bundesgesetzen ausscheren.“ Im Übrigen werde versucht, „die Wohndauer auf dem Schiff möglichst kurz zu halten“, doch der Zuzug von bosnischen Flüchtlingen habe zu Engpässen bei den Unterkünften mit Selbstversorgung geführt. Am Ende der Woche aber, versprach er, könnten zehn Bewohner das Schiff verlassen. dah