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An der Sonderrolle Israels wird auch in New York nicht gerüttelt

■ Die Regierung in Jerusalem ist für eine Verlängerung des Atomwaffensperrvertrages, will jedoch selbst nicht beitreten

Tel Aviv (taz) – Alle sind gleich, aber einige sind gleicher, könnte das Motto der jetzt in New York stattfindenden Konferenz zur Verlängerung des Atomwaffensperrvertrages (NPT) sein. Aber auch bei der großen Vielfalt der Rechte, Interessen und Vorstellungen, die es auf dem nuklearen Gebiet unter den 178 anwesenden Regierungsvertretern gibt, ist die israelische Sonderstellung eines der merkwürdigsten Paradoxa. Einerseits unterstützt Israel nachdrücklich die US-amerikanische Forderung nach einer möglichst universellen und zeitlich unbegrenzten Verlängerung des bestehenden Vertrags gegen die Weiterverbreitung von Atomwaffen. Das soll für die gesamte übrige Welt Geltung haben, aber nicht für Israel. Denn Israel weigert sich auch weiterhin standhaft, den Vertrag zu unterzeichnen, und lehnt die Erfüllung der im Atomwaffensperrvertrag formulierten Bedingungen ab.

Der israelische UNO-Vertreter Gad Jakobi argumentierte, solange Israel nicht Frieden mit allen Nachbarstaaten geschlossen habe, könne es weder dem Sperrvertrag beitreten noch eine atomwaffenfreie Zone im Nahen Osten unterstützen: „Wir sind der einzige Staat im Nahen Osten, der von anderen Staaten der Region direkt bedroht ist, zum Beispiel von Iran, Irak und Libyen.“ Israel hat bereits lange vor der Konferenzeröffnung seinen arabischen, auf Israels NPT- Beitritt drängenden Nachbarn klargemacht, daß Verhandlungen in diesem Bereich erst nach umfassenden Friedensverträgen beginnen können.

Die ägyptische Regierung setzte im Laufe der vergangenen Monate alles diplomatisch Mögliche in Bewegung, um Israel von seiner Ablehnung eines Beitritts zum Atomwaffensperrvertrag abzubringen. Präsident Husni Mubarak drohte sogar, die arabische Liga und andere Staaten der Dritten Welt gegen die US-Position zu mobilisieren, falls Israel – allem Anschein nach die einzige Atommacht in der Region – auch weiterhin das Privileg genießen sollte, außerhalb des Vertrages zu bleiben.

Erst nach hartem Druck von US-Präsident Bill Clinton und führenden Senatsmitgliedern, die mit Kürzung der finanziellen Hilfe für Ägypten drohten, erklärte sich Kairo in der Vorwoche bereit, den amerikanischen Standpunkt auf der NPT-Konferenz zu unterstützen, obgleich Israel zu keinen ernsten Konzessionen bereit war. Im Gegensatz zu Ägypten hat Syrien bekanntgegeben, daß es dem Atomwaffensperrvertrag nur beitritt, wenn auch Israel unterschreibt.

In zahlreichen Gesprächen mit dem ägyptischen Außenminister Amr Mussa wies sein israelischer Kollege Schimon Peres immer wieder darauf hin, daß Jerusalem weiter zu der altbekannten vieldeutigen Vernebelungsformel steht, nach der Israel „nicht als erster Nuklearwaffen in die Region einführen wird“. Gleichzeitig machte Israel alle zukünftigen Abrüstungsverhandlungen für die Bildung einer von Massenvernichtungswaffen freien Region davon abhängig, daß zuvor eine allumfassende Friedensregelung mit allen Ländern des Nahen Ostens und Iran bereits seit zwei Jahren bestehen muß. Diese Formulierung wurde in Israel als „neuer Vorschlag“ bezeichnet, der jedoch, wie leicht vorauszusehen war, weder Ägypten noch die anderen arabischen Staaten befriedigen konnte. Washington stellte sich in dieser Frage fest hinter die israelische Regierung und machte klar, daß die USA Israel auch weiterhin nicht dazu veranlassen werden, dem Atomwaffensperrvertrag beizutreten. Offiziell hieß es in Washington: „Wir erwarten nicht, daß Israel Schritte ergreift, die den Sicherheitsvorstellungen der israelischen Regierung nicht entsprechen.“

Die USA haben Israel gegenüber bereits seit Jahren eine Ausnahme gemacht. In einem Geheimabkommen, das – nach einer Meldung der Zeitung Haarez vom 17. April – bereits seit mehr als 25 Jahren bestehen soll, hat sich Washington verpflichtet, die qualitative militärische Übermacht Israels in der Region zu garantieren und von Israel weder einen Beitritt zur NPT zu fordern noch die Unterstellung der Atomfabrik von Dimona unter fremde Kontrolle. Diese Übereinkunft soll gültig bleiben, solange Israel die „Vernebelungsformel“ aufrechterhält, nicht erklärt, daß es im Besitz von Atomwaffen ist, und selbst keine Atomwaffentests durchführt.

Die israelisch-ägyptischen Gespräche über das heikle Thema mußten nach Mubaraks Besuch im Weißen Haus aufgeschoben und von der Konferenz in New York abgekoppelt werden. Einstweilen gibt es keine israelische Antwort auf ein neues ägyptisches Gesuch, nach dem Israel selbst den Zeitpunkt seines zukünftigen Beitritts zum Atomwaffensperrvertrag bestimmen soll. Ägypten schlägt weiter vor, daß Verhandlungen über eine atomare Abrüstung im Rahmen der multilateralen Waffenkontrollgespräche in der Region eingeleitet werden. Amos Wollin

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