Bremen ist kein Drogenmekka mehr

■ Rauschgiftbilanz 1994: immer weniger auswärtige Tatverdächtige und Drogentote

„Bremen ist seit 1993 keine Drogenhochburg mehr.“ Diese Erkenntnis zieht der inzwischen parteilose Innensenator Friedrich van Nispen aus seiner gestern vorgelegten „Rauschgiftbilanz 1994“. Danach sei der „Rauschgifttourismus“ erheblich zurückgegangen. Die Zahl der nicht aus Bremen stammenden tatverdächtigen Drogenhändler sei 1994 gegenüber dem Vorjahr um 138 auf 388 gesunken. Ursache dafür sei vor allem das inzwischen in ganz Norddeutschland einheitliche Preisniveau für Drogen.

Erfreulich sei auch die weiterhin rückläufige Zahl der Drogentoten, sagte der Senator. Seien es 1992 noch 86 und ein Jahr später 65 gewesen, so habe es 1994 „nur noch“ 55 Rauschgifttote gegeben. Und während 1992 noch 24 der in Bremen gestorbenen Drogenopfer nicht aus der Stadt stammten, waren es 1994 nur noch drei.

Einen Anstieg um knapp zehn Prozent verzeichnet van Nispens Bilanz allerdings bei den 1994 von der Polizei registrierten Straftaten im Drogenbereich (Handel und Besitz). Dies sei jedoch ausschließlich durch eine Erhöhung der polizeilichen „Kontrollintensität“ zu erklären, versicherte der Innensenator. Dabei werde die Verfolgung von Dealern aber gleichzeitig immer schwerer. Die Geschäfte würden heute meistens mit schwer abhörbaren Funktelefonen eingefädelt, Festnahmen seien oft erst nach langwierigen Observationen möglich, offener Straßenhandel finde immer weniger statt.

Dazu habe besonders der Einsatz von Kontaktbereichsbeamten im Steintor beigetragen. Die geplante Verlegung der Drogenberatungsstelle von der Bauernstraße ins Tivoli-Hochhaus und eine vor kurzem eingerichtete „ständige mobile Wache“ auf dem Bahnhofsvorplatz werde die offene Drogenszene noch weiter zurückdrängen, so van Nispen. Und auch in der Straßenbahn sei der offene Drogenhandel deutlich zurückgegangen, seitdem die BSAG auf den betroffenen Linien 2, 3 und 10 insgesamt 16 Bedienstete eines Sicherheitsdienstes einsetzt.

Ein erheblicher Rückgang sei auch bei der Beschaffungskriminalität zu verzeichnen, so van Nispen. Gegenüber 1993 seien im vergangenen Jahr beispielsweise 26 Prozent weniger Apothekeneinbrüche, 15 Prozent weniger Handtaschenraub und zehn Prozent weniger Autoaufbrüche zu verzeichnen gewesen. Dies habe auch dazu beigetragen, daß Bremen in der bundesweiten Kriminalitätsstatikstik inzwischen nur noch auf Platz elf der Großstädte über 200.000 Einwohnern liegt.

Nach wie vor würden Ausländer ein gutes Drittel aller im Zusammenhang mit Drogendelikten von der Polizei ermittelten Tatverdächtigen stellen, sagte van Nispen. Im Bereich von Handel und Schmuggel sei der Ausländeranteil 1994 sogar auf knapp über 50 Prozent gestiegen. Türkische und afrikanische Staatsangehörige stellten unter den ausländischen Tatverdächtigen die Mehrheit.

Der Anteil türkischer Tatverdächtiger sei allerdings in den vergangenen Jahren kontinuierlich zurückgegangen und betrage heute nur noch 41 Prozent aller ausländischen Tatverdächtigen. Die Ursache dafür sei, so van Nispen, daß gerade türkische Drogenhändler immer mehr dazu übergehen würden, für den Klein- und Straßenhandel Dealer anderer Nationalitäten einzusetzen.

Und schließlich habe der Anteil der Asylbewerber an den ausländischen Tatverdächtigen von 46,1 Prozent 1993 auf 61,6 Prozent im vergangenen Jahr zugenommen. Van Nispen: „Bei Durchsicht dieser Zahlen liegt die Annahme nahe, daß Asylbewerber teilweise gezielt zum Drogenhandel eingeschleust werden.“ Ase