Machtkampf mehrerer Völker

■ betr.: „Die Afghanen mögen keine Verlierer“, taz vom 13. 4. 95

Die Tragödie, die sich seit dem russischen Regime und nach dessen Abzug in Afghanistan abspielt, ist mit zwei Faktoren eng verknüpft: mit den Nachbarstaaten und deren Rolle im Laufe des Krieges und jetzigen Bürgerkrieges und mit der Tatsache, daß in Afghanistan mehrere Völker um die Macht kämpfen.

Jedes dieser Völker bekommt, je nach Abstammung, Unterstützung von außen. Pakistan und sein Geheimdienst, der vor allem mit Paschtunen arbeitet, unterstützte zunächst den Paschtunen Hekmatyar. Er wurde fallengelassen, nachdem er sich als erfolglos gegen die Regierung Rabbanis erwies. Pakistan hat nun seine Hoffnung auf die Talibangruppen gesetzt, die sich ausschließlich aus Paschtunen zusammensetzen. Unter dem Namen Taliban haben sich kommunistische, nationalistische und muslimische Paschtunen zusammengeschlossen, um den Tadschiken Rabbani an der Regierung abzulösen und um die Paschtunenherrschaft im Land fortzusetzen.

Die Regierung Rabbanis gibt vor, alle Völker in Afghanistan gleichermaßen zu berücksichtigen. In Wirklichkeit jedoch ist sie vor allem an der Herrschaft der Tadschiken interessiert und wird im Kampf gegen Paschtunen, Usbeken und Hazara vom Ausland (unter anderem Rußland und Indien) unterstützt. Besonders Iran, der sich mit den Tadschiken verbunden fühlt, unterstützte Rabbani und Massud (der in dem Artikel unverständlicherweise völlig unerwähnt bleibt) von Anfang an massiv.

Rabbani erreichte die Regierungsposition durch militärische Unterdrückung der anderen Völker mit Hilfe der Unterstützung von außen und von innen durch militante Kommunisten wie Dastagir Pandscheri (ehemaliger Außenminister der kommunistischen Regierung) und Babadschan (ehemaliger Verteidigungsminister der kommunistischen Regierung).

Wie die paschtunischen Taliban setzt sich auch die Gruppe Rabbanis und Massuds aus kommunistischen, nationalistischen und muslimischen Tadschiken zusammen. Ihr Ziel ist es, dauerhaft an der Macht zu bleiben. Man kann – ebenso wie bei den Taliban von Paschtunismus – bei der Regierungsseite von Tadschikismus sprechen.

Verantwortlich für das Fehlschlagen der UNO-Vorschläge für eine Übergangsregierung sind sowohl Taliban als auch die Regierung Rabbanis. Der Plan der UNO berücksichtigte alle Völker und Gruppierungen, Regierung und Taliban sind jedoch an einer absoluten Herrschaft interessiert. Solange dieser Gedanke vorherrscht, wird das Problem in Afghanistan nicht zu lösen sein. [...] Mohammad Nabi Oruzgani,

Hamburg