Bombe ohne Gesicht hält USA in Bann

■ Keine Hinweise auf die Attentäter von Oklahoma / Bisher 36 Tote geborgen, Hunderte vermißt

Berlin (taz) – Noch immer weiß niemand, wer wirklich verantwortlich ist für die Autobombe, die am Mittwoch ein zentrales Amtsgebäude der US-amerikanischen Stadt Oklahoma City in Schutt und Asche legte und Hunderte von Menschen in den Ruinen begrub. Die Opferbilanz des Anschlags stieg bis gestern auf 36 Tote und über 400 Verletzte. Über 200 wurden noch vermißt. „Wir werden niemals zulassen, daß die Kräfte der Unmenschlichkeit in den Vereinigten Staaten obsiegen“, erklärte Präsident Bill Clinton. Während Politiker die Bestrafung der Schuldigen forderten, blieb deren Identität unklar. „Wir haben noch keine Verdächtigen identifiziert“, sagte gestern der FBI-Ermittlungsleiter Weldon Kennedy auf einer Pressekonferenz in Oklahoma. „Wir haben auch noch niemanden ausgeschlossen.“ Es gebe „Hunderte und Hunderte“ von Hinweisen, sagte Kennedy; allein die Spurensicherung werde Wochen dauern.

Das FBI hält es Fernsehberichten zufolge für wahrscheinlich, daß die Bombe von Terroristen und nicht etwa von einem verrückten Einzeltäter gelegt wurde. Zunächst hatten Beobachter in Abwesenheit jeglichen konkreten Beweises verschiedene mutmaßliche Täter von Mitgliedern der texanischen „Davidianer“-Sekte bis hin zu Terroristen aus dem Nahen Osten ausgemacht. Die nahöstliche Spur war aufgrund der Ähnlichkeit des Bombenanschlags mit dem islamistischen Attentat auf das New Yorker World Trade Center vor zwei Jahren ins Gespräch geraten. Ein Opfer der Bombe könnte eben der Prozeß gegen die elf mutmaßlichen Urheber jenes Attentats sein, der zur Zeit vor einem New Yorker Gericht läuft. Die Verteidigung beantragte erfolgreich verstärkten Schutz für die Angeklagten und erwog, den Abbruch des Prozesses zu beantragen, sollte sich herausstellen, daß Islamisten die Bombe von Oklahoma gelegt haben.

Eine andere Folge der Bombe scheint eine Welle von Terrorangst quer über die Vereinigten Staaten zu sein. Weithin wird die Bombe als Beleg für eine neue Verwundbarkeit der USA gewertet. In vielen Städten wurden nach falschen Bombenalarmen öffentliche Gebäude evakuiert. Leon Pannetta, Stabschef des Weißen Hauses, faßte die Stimmung so zusammen: Die Bombe habe „den US-Bürgern etwas Heiliges rauben“ sollen – nämlich „unsere Freiheit und unsere Sicherheit“. In den gesamten USA wurden gestern die Flaggen auf Halbmast gesetzt. D. J.

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