piwik no script img

Umweltschutz an Berliner Unis

Ingenieure produzieren ökologisch, Geisteswissenschaftler nehmen Politiker beim Wort, und Architekten nutzen die Sonne / Eine Öko-Umschau  ■ Von Christian Arns

Der Klimagipfel der UNO war eine Pleite. Die Delegierten sprachen mehr über Verfahrensfragen und Abstimmungsmodalitäten als über Umweltschutz. Anders die kommunalen Konferenzen, die parallel im Schöneberger Rathaus stattfanden. Hier berieten die Lokalpolitiker konkrete Möglichkeiten, bei sich vor Ort zum Klimaschutz beizutragen. Und die Stadtverträglichkeit der Produktionsformen ist entscheidend, meint Martin Jänicke, Professor am Institut für Innenpolitik und Systemvergleich der Freien Universität (FU): „Ist eine Industrie stadtgerecht, so ist sie auch zukunftsträchtig“, so seine zentrale These.

Jänicke ist Koordinator der Forschungsstelle für Umweltpolitik am Fachbereich Politikwissenschaft und war als solcher an den Kommunalen Konferenzen beteiligt. Denn die Umsetzung guter Ideen, die Verwirklichung schwammig formulierte Absichtserklärungen, etwa der Klimarahmenkonvention von Rio oder des Berliner Energiekonzeptes, sind Forschungsgebiete für Politikwissenschaftler. Das Institut hatte daher mit zur Konferenz „Erfolgsfälle städtischen Klimaschutzes in Europa“ eingeladen.

Zu den Erfolgen im kommunalen Klimaschutz gehört vor allem die Nutzung erneuerbarer Energien. Angefangen bei der passiven Nutzung der Sonnenwärme, etwa indem Neubauten nach Süden ausgerichtet werden, bis zur Stromerzeugung durch Sonnenkollektoren oder Windräder — alle Bereiche werden vor allem an der Technischen Universität intensiv bearbeitet. Der Windkraftanlagen-Hersteller „Südwind“ ging zum Beispiel aus einer Arbeitsgruppe der TU hervor.

Und der Architekturprofessor Rainer Hascher wird nicht müde, Politiker, Verwaltungsmitarbeiter und Planer regelmäßig aufzufordern, ökologische Aspekte bei der Stadtplanung zu berücksichtigen. Bei den Entwürfen für das neue Bundeskanzleramt etwa habe der „Klimaschutz überhaupt keine Rolle gespielt“. Seine Appelle richtet Hascher im neuen Semester nicht nur in Seminaren zu energiesparendem und klimagerechtem Bauen an Architektur-Studierende (FB 8), sondern auch an werdende Umwelttechniker (FB 6).

Auch mit der Wärmeerzeugung (Solarthermie) und Stromproduktion (Photovoltaik) durch Sonnenlicht können sich TU-Studenten intensiv beschäftigen. Am Institut für elektrische Maschinen etwa, wo Professor Rolf Hanitsch vom Fachbereich Elektrotechnik (FB 12) an der Optimierung photovoltaischer Anlagen forscht. Ha

nitsch, der zugleich Geschäftsführer der Berliner Energieagentur ist, gehört zu den Initiatoren der beiden Expertengespräche zur „Belebung der Solarenergie in Berlin und Brandenburg“, die im Dezember letzten Jahres und vor einem Monat auf Einladung der TU stattfanden.

Maßgeblich daran beteiligt war der Technologiebeauftragte des Landes Berlin, Günther Seliger, TU-Professor am Fachbereich Maschinenbau und Produktionstechnik (FB 11). Im laufenden Semester sind Fragen der Demontage und des Recyclings Bestandteile seiner Vorlesungen, Seminare und Übungen zur Montagetechnik.

Stoffkreisläufe in der Industrie sind Thema in verschiedenen Veranstaltungen am Institut für Technischen Umweltschutz des TU- Fachbereichs für Verfahrenstechnik, Umwelttechnik und Werkstoffwissenschaften (FB 6). Dort kann der Studiengang „Technischer Umweltschutz“ belegt werden. Dieser wurde, wie TU-Präsident Dieter Schumann betont, „als erster in Deutschland bereits in den 70er Jahren an der TU eingerichtet“. „Produktionsintegrierter Umweltschutz“ ist das Ziel und Titel eines Seminars; eine Vorlesung widmet sich dem ganzheitlichen Umweltschutz, eine andere dem internationalen Umweltrecht.

Als herausgehobene Kapazität im Umweltrecht gilt der Jurist Michael Kloepfer. Er leitet an der Humboldt-Universität das Forschungszentrum für Umweltrecht. Doch nicht nur Juristen, sondern eben auch angehenden Ingenieuren sollen rechtliche Grundlagen vermittelt werden. Mit der „Bedeutung der Trinkwasserverordnung“ beschäftigt sich beispielsweise eine Vorlesung von Jörg Drewes, wissenschaftlicher Mitarbeiter am TU-Institut für Technischen Umweltschutz. In seiner Freizeit arbeitet Drewes für Greenpeace, in Deutschland wohl die bekannteste internationale regierungsunabhängige Organisation (NGO) im Umweltschutz. Ohne diese NGOs (Non Governmental Organizations) läuft im Umweltschutz gar nichts, meint Elmar Altvater, Professor am Institut für ökonomische Analyse politischer Systeme an der Freien Universität. Der Politikwissenschaftler bietet im neuen Semester nicht nur eine Vorlesung zum „Problemfeld Politik und Wirtschaft“, sondern auch ein Seminar „Ökonomie und Ökologie“ an, in der die NGOs von Bedeutung sind. Für Mitarbeiter lokaler Umweltschutz-Initiativen, die eigentlich nicht mehr die Uni-Bank drücken, ist im Sommersemester vor allem die Ringvorlesung „Einführung in die Angewandte Ökologie“ interessant, das am TU-Institut für Ökologie stattfindet. Die Konzeption der Uni-übergreifenden Veranstaltung haben auf TU- Seite Manfred Renger, Wilhelm Ripl und Herbert Sukopp erarbeitet, die am Fachbereich Umwelt und Gesellschaft (FB 7) im Studiengang Landschaftsplanung lehren. Für die Freie Uni war der Zoologe Gerd Weigmann vom Fachbereich Biologie beteiligt.

Fächerübergreifend nähert sich der Ökologie auch die Projektgruppe „Weiterbildung Umweltschutz“ der Humboldt-Universität. Organisatorisch gehört sie zum Institut für Geographie der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät II. Geleitet wird das HUB-Institut jedoch von Joachim Borner von der Philosophischen Fakultät III. Für Sozialwissenschaftler hält er dort eine Vorlesung zur „Emanzipation von Umweltpolitik“. Außerdem bietet er ein Seminar über „Ganzheitlichkeit, sustainable development und präventive Umweltpolitik“ an.

Wer ohnehin lieber auf Würdenträger verzichtet, kann am Autonomen Seminar „Biologie – Ökologie – Politik“ an der FU teilnehmen. Initiiert wurde die fächerübergreifende Diskussion von Biologiestudenten, eine Philosophin gehört fest zum Arbeitskreis. Die Gruppe hofft wegen dieser ungleichen Verteilung „auf rege Beteiligung aus den Geisteswissenschaften“.

Kontakt: Regine und Sandro, Telefon 6232958

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen