Masken im Meer der Klamotte

■ Schöne Bilder, etwas farblos: Premiere für „Pericles“, das jüngste Abenteuer der Shakespeare-Company

„Die wundersame Reise des Pericles, Prinz von Tyrus, seine Abenteuer sowie die nicht weniger erstaunlichen Begebenheiten im Leben seiner Tochter Marina“ – der Titel läßt bereits ahnen, wieviel Schauplätze und Abenteuer das Ensemble und sein Publikum gemeinsam durchstehen müssen, um endlich selig in Traum und Schlaf zu sinken. Selten wird dieses Shakespeare-Abenteuer auf die Bühne gebracht; am Wochenende versuchte es die Bremer Shakespeare-Company. Hier ist der „Perciles“ ein figurenreiches Märchenspiel mit einer saftigen Kolportage-Handlung, eine Geschichte der großen Gefühle, eine Legende der Leidenschaften, in welcher der umherirrende Held lernen muß, die Macht des Schicksals standhaft zu ertragen.

Regisseur Pit Holzwarth inszeniert diese wundersame Reise als bunte Mixtur aus Schattenspiel, Puppentheater, lebenden Bildern, Farce, Slapstick und Drama. Das gelingt ihm nicht immer; manchmal verliert der große Bogen seine Spannung. Die Geschichte erscheint in der Tat als reichlich komplex: Weil der auf Freiersfüßen wandelnde Pericles das Gehemnis des Königs Antiochus' und dessen Tochter errät – sie lebt im Inzest mit ihrem Vater – begibt er sich auf eine lange Flucht. Im poetischen Wettstreit gewinnt er das Herz der Königstochter Thaisa. Diese aber stirbt auf stürmischer See bei der Geburt ihrer Tochter Marina. Daß sie als Tempeldienerin überlebt hat, wird Pericles erst am Ende erfahren. So werden die Liebenden auseinandergerissen. Jeder ist hier „ein Tropfen, der einen anderen Tropfen sucht im Ozean“. Aber natürlich wird in diesem Märchen das Wunderbare wahr: Am Ende finden die Liebenden wieder zueinander.

Shakespeares ausufernde Reise wird von vier Akteurinnen und Akteuren bewältigt: Barbara Kratz, Christian Dieterle, Robert Brandt und Norbert Kentrup schlüpfen in mifdestens zwei Dutzend Männer- und Frauenrollen. Einzelne Bilder sind dabei herausragend gelungen. Der schiffbrüchige, halbnackte Pericles, wie er von Eingeborenen umtanzt wird; Norbert Kentrup als alternde Puffmutter, die die frisch gefangene Marina vergeblich mit ihrem neuen Gewerbe vertraut machen will; die stürmische See, die nur mit einem einzigen, bewegten Seil veranschaulicht wird: Hier entfaltet die Company mit wenigen Mitteln ein wahrhaft abenteuerliches Panorama. Manchmal werden die Möglichkeiten, mit dem Spiel der Bühnenvorhänge immer neue Räume und Orte zu entfalten, allerdings auch übertrieben.

Aber, ach – die vielen bunten Bilder, die schönen Ideen tragen nicht immer über die lange Spielzeit von fast drei Stunden. Die Leidenschaften, gefiltert durch die Masken der launigen Klamotte, sie bleiben oft kalt. Barbara Kratz als kindlich-anmutiger Marina gelingt ihr Part noch am besten. Christian Dieterle hingegen kann seinen Pericles kaum aus den seichten gewässern der Komik herausretten, während Robert Brandt seine vielen, kleinen Chargenrollen genüßlich auszukosten versteht.

„Perciles, Prinz von Tyrus“ ist ein Flickenteppich: stellenweise schön, manchmal unübersichtlich und auch etwas farblos. Mehr Tempo und mehr Glut würde diesem wilden, frühneuzeitlichen Roadmovie gut tun. Hans Happel

Weitere Aufführungen: 29.4., 6.5., 12.5., 19.5. (jeweils 19.30 Uhr), Theater am Leibnizplatz