Jugendliche aus leerem Haus geräumt

■ Viertelbürgermeister verhinderte Eskalation zwischen BesetzerInnen und Polizei

Sonntagnachmittag: Unauffällig auffällig schnüren zwei Männer in Zivil vor dem kurzfristig besetzten, und in der Nacht zum Samstag unter großem Polizeiaufgebot geräumten Haus Feldstraße 13-15 hin und her. Die Männer arbeiten für ein Bewachungsinstitut. Ein andere allerdings als das, welches noch in der Nacht zum Samstag hier Dienst tat. „Die haben das Handtuch geworfen“, sagt einer der beiden.

In der Nacht nämlich waren die Kollegen des anderen Institutes von Jugendlichen angegriffen worden, die in dem seit gut drei Jahren leerstehenden Haus „eine Party machen wollten“, wie ein Anwohner vermutet. „Das waren noch Kinder“, beobachtete er. Doch um ein Haar wäre es zwischen diesen Kindern, einem anderen Anwohner und der Polizei zu einer furchtbaren Straßenschlacht gekommen.

Schon mehrfach hatten die Kids im Laufe der vergangenen Wochen das Haus zum Freizeittreff gemacht und dabei ringsum ihre Spraydosen-Tags und Graffities hinterlassen. „Schön ist das nicht“, kommentiert ein Nachbar, „aber wo sollen die Jugendlichen denn auch hin?“

Den ganzen Freitag über, hatte er beobachtet, hatten sie sich im Haus gesammelt. Es seien immer mehr geworden, bis zum Abend etwa 50. Darunter auch ältere Autonome, die aber später, kurz vor Eintreffen der Polizei, Fersengeld gegeben hätten. Als das Auto des Bewachungsinstitutes kam, hätten die Jugendlichen, die sich teilweise auf der Straße aufhielten, Steine gesammelt. Ob sie das Auto beworfen und getroffen haben, vermag er nicht zu sagen. Er hörte nur das Auto mit überhöhter Geschwindigkeit in Richtung Dobben davonbrausen.

Kurze Zeit später kam der Sohn des benachbarten Fleischers runter auf die Straße. Er war äußerst gereizt und schimpfte auf die Jugendlichen ein. Der muskulöse Mann soll die ihn umringenden Kids immer wieder provoziert haben, mit Worten wie „Ich mach euch zu Brei“. „Dann hau mich doch“, trat ein zierlich gebautes Mädchen vor ihn, woraufhin ihr der Fleischerssohn einen Stoß vor die Brust versetzt haben soll. Kurz darauf kam Viertelbürgermeister Robert Bücking, der im Hinterhaus des besetzten Gebäudes wohnt. Er sah noch, daß der aufgebrachte Mann einen Jugendlichen in der Gewalt hatte und dessen Kopf gegen ein Auto stieß. Trotzdem gelang es Bücking, den Fleischerssohn und die Jugendlichen auseinanderzubringen. Er sprach beruhigend auf beide Seiten ein. Ob, wie die Kids erzählten, der Mann mit einer Eisenstange geprügelt hat, oder andererseits die Jugendlichen ihn mit Steinen warfen, weiß Robert Bücking nicht.

Er war froh, als er den Mann endlich dazu bewegen konnte, ins Haus zurückzugehen. „Es war eine absurde Situation“, sagt er im Rückblick, „beide Seiten waren voll im Machtrausch“. Noch hinter der Jalousie habe der gleichermaßen wütende wie verängstigte Mann weitergeschimpft, während die Jugendlichen an seiner Tür katzten.

„Der eigentliche Punkt ist, daß die Leute so kontaktschwach sind“, meint Bücking. „Und dann geht auch noch die Polizei“, die trotz mehrerer Anrufe von AnwohnerInnen erst zwei Stunden später eintraf, „von einer Großlage aus.“ Sie kam mit massivem Aufgebot und in schwerer Kampfkleidung. „Das war hier alles umstellt“, bestätigt ein Anwohner. „Wäre der Bücking und eine Nachbarin nicht gewesen, wer weiß, was da noch passiert wäre.“ Bücking überredete die Jugendlichen zum Abzug. „Das war überhaupt kein Problem, die waren durchaus rückzugsbereit.“

Allerdings hinterließen sie drei Verletzte, wie die Polizei am Sonntag mitteilte. Der Sohn des Fleischers wurde durch einen Steinwurf in den Rücken schwer verletzt, einer der Wachmänner im Gesicht. Der andere erlitt leichtere Verletzungen. Die Polizei leitete einige Strafverfahren wegen Landfriedensbruch ein.

Robert Bücking stellt den Ablauf des nächtlichen Geschehens in eine Entwicklung, die mehrere Jahre dauerte: Das Haus habe drei Jahre leergestanden, sei immer wieder Objekt von Spekulationen geworden und dabei zunehmend verfallen. Es scheint, daß der neue Besitzer immerhin bauwillig ist, er ließ noch am Samstag ein Gerüst anbringen und vernagelte die Fenster. Der lange Leerstand aber störte auch die AnwohnerInnen schon lange, bestätigen mehrere. „Da erinnert man sich, daß Besetzung die richtige Antwort ist auf Spekulationen“, sagt Bücking. Anderseits sei natürlich zu verhindern, daß so etwas „in einer Schlacht mit den Kids“ ende, deren Plätze immer knapper werden. „Es ist doch so, wie sie es mir gesagt haben: –Wir sind der Mob, uns will ja keiner.' Darüber denke ich jetzt wieder neu nach.“ Dora Hartmann