Gemeinsames Feindbild ist der Gesetzgebungsmoloch

■ Extrem rechte, bewaffnete Grüppchen, aus deren Reihen die mutmaßlichen Attentäter hervorgegangen sind, kämpfen straff organisiert gegen den starken Staat

Hat die extreme Rechte den USA den Krieg erklärt? Das ist die Hauptfrage, die sich aus der Feststellung ergibt, daß weiße Rechtsterroristen für den Bombenanschlag von Oklahoma City verantwortlich waren. Hätte eine Verantwortung ausländischer Terroristen entdeckt werden können – die Antwort der Behörden wäre einfach: schärfere Gesetze, schärfere Grenzüberwachung, womöglich ein militärischer Gegenschlag gegen ein vermutetes Unterstützerland. Doch gegen hausgemachte Terroristen kann die Regierung das nicht tun, ohne genau jenes Bild von sich selbst zu produzieren, gegen das die militanten Rechten ohnehin Sturm laufen: das Bild vom starken Staat. Der Staatsapparat der Vereinigten Staaten als Gesetzgebungsmoloch, als gehirnwaschender Despot und räuberischer Steuerdieb – dies ist das gemeinsame Feindbild unzähliger kleiner Grüppchen in den Weiten der US-amerikanischen Provinz, die Feierabend-Rechten eine Heimat geben. Gegen Steuern, gegen Auflagen zur Landnutzung, gegen staatliche Grenzen für privates Handeln überhaupt kämpfen diese Gruppen. Viele sind ortsgebundene Vereine, die sich als Selbsthilfegruppen gegen den Staat verstehen und per Fax oder Internet kommunizieren. Jack Richard von der Computerzeitschrift Boardwatch Magazine schätzt, daß es landesweit etwa 300 sogenannte „libertär-paranoide“ Computernetzwerke gibt. Sie sehen sich zumeist als Teil der US-Gesellschaft, zu deren Werten der aggressive Schutz der Privatsphäre seit jeher gehört. Selbst Oklahoma City ist eine sehr traditionelle Stadt, in der – wie ein verblüffter französischer Journalist bemerkte – ein Vater in Begleitung seines fünfjährigen Kindes zwar ein Gewehr kaufen kann, aber keine Flasche Rotwein.

Inzwischen haben jedoch viele dieser Gruppen Waffen und trainieren für den Krieg. Wie Morris Dees von der Bürgerrechtsgruppe Southern Poverty Law Center im vergangenen Jahr in einem Brief an die Bundesstaatsanwältin Janet Reno warnte, entstehen sie aus einem Zusammenfinden der anti- staatlichen Fundamentalisten mit älteren, straff geführten rechtsradikalen Organisationen wie dem Ku Klux Klan. Es soll landesweit etwa 22 ausgewachsene Milizen geben, vor allem in den westlichen Gebirgsstaaten. Ihre „Selbsthilfe“ ist militant: So hat es Vorfälle gegeben, wo bewaffnete Milizionäre Steuerverweigerern gegen die Polizei zu Hilfe gekommen sind. Andere legen Waffen- und Lebensmitteldepots an – in Erwartung des „Freiheitskampfes“.

Ein Fanal für das sprunghafte Wachstum dieser Gruppen war sicherlich der Sturm des Hauptquartiers der Davidianer-Sekte im texanischen Waco durch die Polizei, genau zwei Jahre vor dem Anschlag von Oklahoma City. Dabei waren über 70 Menschen ums Leben gekommen, und viele Rechte sahen das als „staatlichen Terrorismus“, als Präzedenzfall für eine Situation, in der sich Bürger nicht gegen die Staatsgewalt wehren können. Nach dem Anschlag von Oklahoma City hatten viele Beobachter zunächst eine Verbindung zu Waco wegen des für einen Bombenanschlag dieser Größenordnung erforderlichen logistischen Aufwands für unwahrscheinlich gehalten. Aber tatsächlich scheint der Aufwand gar nicht so groß gewesen zu sein – der benutzte Sprengstoff ist unter Hobbygärtnern gang und gäbe, und die schnelle Ergreifung der mutmaßlichen Täter deutet nicht gerade auf einen hochentwickelten Sinn für Untergrundaktionen hin.

Wie sehr der Bombenanschlag im Sinne der Rechtsmilizen ist, gilt als unsicher. Schließlich war es, wie Ex-Vizegeneralstaatsanwalt Heymann sagte, „ein Angriff auf die Struktur der Gesellschaft“. Norman Olson, Kommandant der Miliz von Michigan, sagte Journalisten, zwei der drei Verhafteten hätten Versammlungen der Miliz besucht und seien wegen ihrer „anarchistischen Rhetorik“ und ihrem „Terrorismusgerede“ hinausgeworfen worden. Dominic Johnson