Noch eine Chance für Frankreichs Sozialisten

■ Jospin Sieger der ersten Wahlrunde um Präsidentschaft / Balladur und Chirac Kopf an Kopf

Paris/Berlin (dpa/AFP/taz) — Auch beim dritten Anlauf ist er offenbar gescheitert: Jacques Chirac, 62 Jahre alt, Pariser Bürgermeister seit 1977 und Präsidentschaftskandidat seit 1981, ist gestern aus der ersten Runde der Wahl um die Nachfolge des französischen Staatschefs François Mitterrand nicht als Sieger hervorgegangen. Der Neogaullist Chirac, der als Favorit galt, konnte nach ersten Hochrechnungen lediglich etwa 20 Prozent der Stimmen auf sich vereinigen. Spitzenreiter wurde überraschend der Sozialist Lionel Jospin mit 23,4 Prozent. Damit wird traditionsgemäß im zweiten, entscheidenden Wahlgang am 7. Mai ein „linker“ gegen einen „rechten“ Kandidaten antreten. Nach ihrer verheerenden Niederlage bei den Parlamentswahlen 1993 konnten die französischen Sozialisten damit gestern ein politisches Comeback verzeichnen.

Auf Platz drei landete Preimierminister Edouard Balladur, ebenfalls ein Neogaullist, mit 18,5 Prozent der Stimmen. Er lag damit — immer der ersten Hochrechnung zufolge — nur knapp hinter Chirac und konnte lediglich drei Prozent mehr für sich verbuchen als der Kandidat der rechtsextreme Nationalen Front, Jean-Marie Le Pen, der mit 15,7 Prozent (1988: 14,4) abschnitt. Kommunistenchef Robert Hue, der bei den letzten Wahlen 1988 auf 6,7 Prozent kam, konnte etwas zulegen und erreichte diesmal 8,8 Prozent. Nase an Nase lagen die Trotzkistin Arlette Laguiller und der Maastricht-Gegner Philippe de Villiers mit fünf Prozent. Die Kandidatin der Grünen, Dominique Voynet, kam nur auf bescheidene 3,3 Prozent; der Überraschungskandidat Jacques Cheminade landete bei bescheidenen 0,3 Prozent. Die Empfehlung, die die ausgeschiedenen Kandidaten ihren Wählern geben, wird großen Einfluß auf das Ergebnis des zweiten Wahlgangs haben. Balladur hatte versichert, daß er im Falle seiner Niederlage Chirac unterstützen werde.

Wegen der Osterferien deutete sich eine niedrigere Beteiligung an der Wahl an. 1988 hatten in der ersten Runde 81,3 Prozent, in der zweiten 84,1 Prozent abgestimmt. Eine Stunde vor Schließung der meisten Wahllokale lag die Beteiligung deutlich niedriger als bei der letzten Präsidentenwahl vor sieben Jahren. Bis um 17.00 Uhr hatten erst 64 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme abgegeben.