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PET macht Glasperlen kaputt

Die Genossenschaft Deutscher Mineralbrunnen berät in Hamburg über eine neue Einheitsflasche aus Plastik / Gerolsteiner macht Druck  ■ Von Klaus Wittmann

Im kleinen Eifel-Städtchen Mendig, zwischen Koblenz und Gerolstein, steht eine hochmoderne Fabrik, die unsere Trinkgewohnheiten ändern soll. Europäischer sollen sie werden, und das heißt: Weg von der Wasserflasche, hin zur Plastikbuddel! Schon jetzt stehen in Mendig die Maschinen nicht mehr still. 200 Millionen Polyethylenterephtalat- (PET)-Plastik-Flaschen werden hier alljährlich produziert. Auch in Mark und Pfennigen ausgedrückt, kann sich das Geschäft sehen lassen: Von 264 auf 510 Millionen Mark konnte der Umsatz im vergangenen Jahr gesteigert werden.

Geht es nach den Großen der Branche, dann ist das nur der Anfang – sehr zur Freude des Viag- Konzerns und der Deutschen Bank. Der PET-Hersteller „Continental Pet Europe“ ist eine hundertprozentige Tochterfirma des Verpackungskonzerns Schmalbach Lubeca, und der gehört wiederum zu 51,38 Prozent der Viag und zu zehn Prozent der Deutschen Bank. In Europa betreibt der Markenführer bereits dreizehn PET-Fabriken. Jüngst wurde mit Blick auf den Ostmarkt in Radomsko (Polen) eine weitere in Betrieb genommen.

Weitgehend unter Ausschluß der Öffentlichkeit ist eine wahre Wasser-Schlacht unter den Anbietern von Erfrischungsgetränken und Mineralwassern entbrannt. Seit 25 Jahren füllen sie ihre Produkte in der 0,7-Liter-Glasperlenflasche ab. Doch seit Coca-Cola Mitte der achtziger Jahre die Getränkeflaschen aus dem polyesterähnlichen Stoff PET – zunächst als Einweg-, später als Mehrwegflaschen – großflächig eingeführt hat, mangelt es nicht an Forderungen vor allem der großen Abfüller endlich ein neues Gebinde als sogenannte „Brunnen-Einheitsflasche“ zu etablieren.

Branchenführer wollen am Umweltschutz sparen

Gerolsteiner, mit knapp 430 Millionen Mark Umsatz und 1,2 Milliarden Füllungen pro Jahr der Branchen-Primus, will den Vorreiter spielen. Zehnmal leichter sei eine PET-Flasche als die 1-Liter- Glasbehälter, sagt der Vorstandschef Peter Traumann und versichert: „Wir werden warten, bis uns von Coca-Cola und Pepsi die Märkte abgenommen werden.“

Sein Tafelwasser Bonaqua füllt Coca-Cola auch schon in PET-Flaschen ab. Doch auch wenn Gerolsteiner Ernst macht und außerhalb der Genossenschaft Deutscher Brunnen (GDB) einen eigenen Pool bildet, ist die endgültige Entscheidung noch nicht gefallen. In Hamburg berät die Jahrestagung der Genossenschaft noch bis Mittwoch, ob sie die eine neue Einheitsflasche einführt. Doch dem von Coca-Cola und Gerolsteiner, von Vittel und „Blauen Quellen“ so geschätzten Polyethylenterephtalat haften einfach noch zu viele Probleme an. GDB-Vorstandschef Helmut Ruhrmann bezweifelt zwar nicht, daß die PET-Behälter wesentlich leichter, daß sie „unkaputtbar“ sind. „Aber wir sind noch nicht soweit, daß wir sagen könnten: Diese Flasche ist es.“

Eine PET-Einheitsflasche würde ohnehin nur für Erfrischungsgetränke eingeführt, nicht jedoch für Mineralwasser. Denn eines der Hauptprobleme der PET-Flaschen ist ungelöst, auch wenn Schmalbach-Lubeca-Sprecher Eberhard Becker das ganz anders verkaufen möchte: Die Flaschen sind nicht geschmacksneutral und daher für Mineralwasser schlicht und einfach ungeeignet.

Schwierigkeiten macht der Stoff Acetaldehyd. Zum einen wird er, wenn auch in kleinen Mengen, ausgedünstet, zum anderen behalten PET-Flaschen, wenn beispielsweise Zitronenlimonade gefüllt werden, immer einen Beigeschmack.

Der Chef der mittelständischen Ensinger Mineral-Heilquellen, Thomas Fritz, ist sich daher sicher, daß der Werkstoff der Zukunft „noch nicht gefunden ist“. Bei stark aromatisierten Getränken, wie denen von Coca-Cola oder auch bei leicht aufgesalzten Tafelwassern sei das Acetaldehyd kein großes Problem. „Aber beim sensiblen Mineralwaser geht das einfach nicht.“

Okolgischer Mehrweg für den Mittelstand

Fritz hat mit fast sechzig kleineren und mittleren Brunnen eine „Initiative für mittelstandsorientierte Emballagenentwicklung“ ins Leben gerufen. Ein nötiger Schritt in den Augen zahlreicher Brunnen- Betriebe und Erfrischungsgetränkeabfüller. Denn die PET-Flasche bringt nicht nur Geschmacksprobleme, sondern auch enorme Kosten mit sich. Mit 75 Pfennigen und mehr kostet sie etwa das Doppelte einer Glasflasche, und die Umstellung ist eine Investition, die sich kaum ein mittlerer und erst recht kein Kleinbetrieb leisten kann. Mehr als 40 Millionen Mark dürften nötig sein, rund 15 Millionen kostet allein die Abfüllanlage.

Das ist auch einer der Gründe, warum der Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND) für den Herbst eine bundesweite Kampagne gegen die Plastikflasche plant. Nachdrücklich wird beim BUND in Bonn dementiert, was Gerolsteiner-Vorstand Traumann verkündet, daß nämlich inzwischen die Naturschützer nach anfänglicher Skepsis ein PET-Mehrwegsystem akzeptierten. Ganz zu schweigen davon, daß 1,5 Milliarden langlebiger Glasflaschen und 100 Millionen Flaschenkästen ausgemustert werden müßten, sei die Einführung der PET-Flaschen „eine großangelegte Öko-Täuscherei“, sagt der BUND-Abfallexperte Olaf Bandt. Kleine und mittlere Abfüller würden auf diese Weise aus dem Markt gedrängt, „die mittelständische Erzeugerstruktur zerstört“. Gerade in dieser mittelständischen Struktur sieht der Bund Naturschutz ein Musterbeispiel für ein ökologisches Mehrwegsystem. Bandt ist sich mit vielen Mineralwasserabfüllern und Getränkehändlern einig, daß nach der PET-Einführung das Grundnahrungsmittel Wasser über weit größere Strecken als bisher transportiert würde und auf diese Weise die angeblichen Gewichts- und damit Transportvorteile wieder aufgehoben würden.

Daß die vielgepriesene Mehrweglösung tatsächlich von langer Dauer ist, bezweifeln auch Mineralwasserabfüller. Angesichts europaweit etablierter Einwegsysteme in Frankreich, Italien und der Schweiz wird das vielgepriesene PET-Mehrwegsystem von vielen als reine Alibi-Übergangslösung gesehen. Thomas Fritz ist sich sicher, „daß dieser als Zugeständnis an das deutsche Mehrwegsystem eingeschlagene PET- Mehrweg nie und nimmer auf Dauer Bestand hat“. Nicht umsonst werde schon an neuen Argumentationen gefeilt. „Reinigen durch Umschmelzen“ ist eine solche, und bei der Brunnen-Initiative hält man es für durchaus denkbar, daß nach einer erfolgten Umstellung auf PET bald die ersten Gutachten aus der Schublade gezogen werden, die zu dem Schluß kommen, daß das Wiederbefüllen und Reinigen der PET- Flaschen ökologisch doch unsinniger sei als das bereits angedachte „Reinigen durch Einschmelzen“. Und wenn das nicht greife, könne man sich durchaus vorstellen, daß irgendwann das deutsche Mehrwegsystem europäischen Regelungen zum Opfer falle.

Aber nicht nur Coca-Cola mit seinem Anteil am deutschen Wässerchenmarkt von etwa 40 Prozent will die deutschen Trinksitten ändern. Deutschland-Geschäftsführer Ulrich Stoll der Nestlé-Tochter Vittel ist sicher, daß die Deutschen nach und nach immer „stillere“ Wasser trinken werden. In einigen Jahren gehöre „die typische deutsche Kompromißlösung der Halbstillen der Vergangenheit“ an, und dann sei die Zeit der ganz stillen Wasser gekommen. Im Gegensatz zu Frankreich, wo fünfmal soviel kohlensäurefreies Wasser getrunken wird wie bei uns, liegt Deutschland ganz hinten beim „gaslosen“ Wasser. Wenn aber die Stillen sich durchsetzten, dann komme PET, und wenn PET komme, dann ganz gewaltig.

Dem von Gerolsteiner anvisierten Flaschen-Pool außerhalb der Brunnen-Genossenschaft steht Stoll offen gegenüber. Die Großen setzen auf die gleiche Karte. Die Kleinen und Mittleren bauen darauf, daß der Verbraucher doch noch ein kräftiges Wort mitredet. Sechserkästen könnten ein Weg sein, um das Gewichtsproblem der Glasflaschen in den Griff zu bekommen. Oder womöglich die von „Frankenbrunnen“ getestete Leichtglasflasche. Das geschmacksneutrale und hygienische Glas hofft auch Sebastian Priller (Mozartquelle Augsburg), wird vor allem für Mineralwasser eine Zukunft haben.

Auch die „Spezi“-Abfüller, 30 mittelständische Lizenznehmer, die sich zu einem Markengetränkeverband unter Federführung von Priller zusammengeschlossen haben, denken so. „Daß wir allerdings argwöhnisch betrachten, wenn Coca-Cola umsteigt, das können Sie sich vorstellen.“ Die kleinen Konzessionäre werden verlieren, der enorme Rückgang der Cola-Lizenzen und -Abfüllanlagen spreche da eine deutliche Sprache.

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