Kammer sucht rechte Hirnhälfte

■ Pilotstudie: Wie kommt man bloß an die rechten Einstellungen ran?

Rechtsextremismus, das ist ein Problem von jungen Männern und alten Männern. Ausländerfeindlichkeit entsteht aus Angst vor sozialer Deklassierung. Ausländerfeindlichkeit, Rechtsextremismus – kaum ein Thema der vergangenen Jahre, über das so intensiv wissenschaftlich spekuliert worden ist. Und doch laufen viele dieser Erkenntnisse ins Leere, denn: Wer Ausländerfeindlichkeit und Rechtsextremismus bearbeiten will, der zerschellt oft genug am Wie. Wie entstehen diese Verhaltens- und Denkmuster, wie können sie verändert werden? Genau das ist die Frage, die die Bremer Angestelltenkammer jetzt in einer Pilotstudie untersuchen läßt. Das Ziel: Neue Antworten für die Kammer-Bildungsarbeit. Referent Klaus Jakubowski: „Bislang haben wir diese Phänomene nur interpretieren können.“ Nun scheint es darauf anzukömmen, sie zu verändern.

Die Bremer Hochschullehrerin Birgit Volmerg und ihre MitarbeiterInnen Beate Busch und Dietmar Kirchhoff haben gestern in einer Tagung der Kammer die ersten Ergebnisse ihrer Arbeit vorgestellt. Die lassen sich denkbar einfach zusammenfassen: Ausländerfeindlichkeit entsteht, wenn für andere soziale Probleme ein Sündenbock gefunden werden muß. Ausländerfeindlichkeit läßt sich aber im Gespräch abbauen, denn es gibt, so Vollmerg, „Reflexionspotentiale“. Die würden aber allein bei Gesprächen über die konkreten Lebens- und Arbeitssituationen, über die tatsächlich existierenden, alltäglichen Konflikte geweckt.

Vollmerg und ihre MitarbeiterInnen haben Angestellte aus den unterschiedlichsten Bereichen befragt. Fünf Gruppen á sieben bis zehn Personen – mal VerkäuferInnen mit vielen ausländischen KundInnen und KollegInnen, mal AußendienstmitarbeiterInnen – redeten jeweils eine Stunde lang über „Ausländer als Kollegen, Kunden, Nachbarn“. Und da befürchteten beispielsweise die VerkäuferInnen mit deutschem Paß, daß der ohnehin schon schlechte soziale Status ihres Berufes noch weiter absinken würde, weil jetzt immer mehr Frauen anderer Paßfarbe in den Beruf kämen. So werde, interpretiert die ForscherInnengruppe, für ein soziales Problem (soziale Hierarchie der Berufe) ein Sündenbock gesucht. Und diese Sündenbockrolle könne bei entsprechend geschickter Demagogie auch politisch mobilisiert werden.

Die Bremer WissenschaftlerInnen setzen ganz auf die klassische Aufklärung: Wenn die VerkäuferInnen erstmal begriffen haben, daß sie eigentlich an einem sozialen, politischen, ökonomischen Problem leiden, dann lassen sie das mit der Ausländerfeindlichkeit von selbst.

Im Herbst soll der Abschlußbericht vorgestellt werden. J.G.