■ Mit der Pflegeversicherung auf Du und Du
: Billige Morgentoilette

Gestern stellten unter Leitung von Gesundheitssenatorin Gaertner Vertreter des Sozialhilfeträgers, der Pflegekassen und der Träger von Pflegeeinrichtungen auf einer Pressekonferenz die Verträge vor, nach denen ab dem 1. April in Bremen das neue Pflegeversicherungsgesetz umgesetzt werden soll.

„Die Verhandlungen erforderten ein völlig neues Denken“, meinte Hans Taake, Vorsitzender der Landesarbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtsverbände in Bremen (LAG). Die Auseinandersetzungen seien hart gewesen, doch alle seien „ohne blaue Augen“ davongekommen. Ob das auch für die Pflegeversicherten gilt, bleibt abzuwarten.

Einerseits können sie zukünftig wählen, ob sie von den Pflegekassen eine zuvor nach Pflegebedarf festgelegte monatliche Geldsumme beziehen, oder lieber bestimmte organisierte Leistungen in Anspruch nehmen. Deren Preis aber bestimmt sich, so formuliert es die bis Ende 95 wirksame Übergangsvereinbarung, nach einem in 20 Komplexe eingeteilten Leistungskatalog, die durch ein Punktesystem (pro Punkt 6,4 Pfennig) bewertet werden.

Beispiel: „Kleine Morgen-/Abendtoilette. Hilfe beim Aufsuchen und Verlassen des Bettes. An-/ und Auskleiden. Teilwaschen. Mund- und Zahnpflege. Kämmen.“ Dieser Komplex entspricht 250 Punkten, folglich kostet die Morgentoilette 16 Mark. Setzt man das in Bezug zu dem vereinbarten und im Bundesdurchschnitt weit unten liegenden Satz von 38,50 Mark pro Pflegestunde, so entspricht das einem Zeitkontingent von etwa 25 Minuten.

Zu wenig, wendet der Paritätische Wohlfahrtsverband ein und unterschrieb als einziger von sechs Bremer Wohlfahrtsverbänden nicht die Leistungsvereinbarungen (vgl. taz vom 15.4.). Nicht einmal die ohnehin knappe Zeit, kritisiert der „Paritätische“, stehe den Pflegebürftigen zur Verfügung, denn in jene 25 Minuten fließen Wegezeiten und die Kosten für Beratung ein. „Und was ist, wenn der pflegebedürftige Mensch geistig verwirrt ist und einfach mehr Zeit braucht?“

Darüber müssen sich Pflegekassen, Sozialhilfeträger und Träger von Pflegeeinrichtungen noch einigen. Es sei unsicher, meint Taake, ob Leistungen, die wie „bei Aidskranken, Behinderten und psychisch Kranken“ eher im betreuerischen als im pflegerischen Bereich lägen, überhaupt nach dem Pflegeversicherungsgesetz zu zahlen sind. Das müsse auf Bundesebene entschieden werden, bis dahin zahle der Sozialhilfeträger. dah