Befreiung oder Zusammenbruch?

■ Bremen feiert Kriegsende mit Nazi-Opfern und Befreiern

„Wir können dieses Erbe nicht verweigern“, sagte Bürgermeister Klaus Wedemeier. „Hitler hat die Macht nicht ergriffen, sie wurde ihm gegeben“. Genommen wurde Hitler diese Macht erst von den Alliierten. Deshalb gedachte Bremen gestern offiziell mit einer Feierstunde im Rathaus des Bremer Kriegsendes am 27.4.1945: Heute als Befreiung begrüßt, damals von den meisten BremerInnen als Niederlage empfunden.

Diese Stimmung rief Klaus Wedemeier in seiner Festrede an Beispielen wach: Für eine damals 17jährige Neustädterin sei eine Welt zusammengebrochen, sie sei „trotz der Entlastung von der körperlichen Gefahr total schockiert und konnte es nicht fassen, daß die ganze Ideologie dahin sein sollte.“ Eine damals 25jährige Krankenschwester habe geglaubt, die ersten Bilder aus dem KZ Bergen-Belsen, die britische Soldaten ihr zeigten, seien Propagandalügen.

Die Befreier, die vor 50 Jahren als Eroberer empfunden wurden, und die überlebenden Opfer des Nazi-Terrors waren als Gäste geladen: 26 britische Veteranen nahmen an der Feierstunde ebenso teil wie überlebende Zwangsarbeiterinnen des KZ-Außenlagers Stuhr-Obernheide und Mitglieder des Bremer Landesverbandes der Roma und Sinti.

Während des anschließenden Sektempfanges konnten die Gäste durch die Rathaus-Fenster eine Aktion der Friedensgesellschaft/Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) auf dem Marktplatz beobachten. Etwa 60 Menschen waren zur Einweihung der Antikriegs-Skulptur „Versöhnung“ von Joachim Fischer gekommen. Zwei Holzsoldaten reichen sich die Hände, die Läufe ihrer Gewehre sind zu Spaten geworden.

Lore Buchholz, die die letzten Kriegsmonate im Waller Bunker in der Holsteinerstraße erlebt hat, beschrieb während der Aktion ihre damaligen Eindrücke. Ohne Strom, nur mit Notbeleuchtung und einem handbetriebenen Ventilator seien die Menschen in der Hitze des Bunkers zusammengepfercht gewesen. Zwischen den Bombenangriffen hatten sie immer wieder versucht, draußen „bei schönstem Sommerwetter“ Luft zu schnappen. Dabei seien einige von ihnen durch eine der letzten Bomben getötet worden. Als die Menschen den Bunker schließlich verlassen konnten, lagen die Leichen aufgereiht an der Bunkerwand. „Ich werde nie den Anblick vergessen, wie ein Vater seinen toten Sohn in einen Sack steckte und nach Hause trug“, sagte Lore Buchholz. keg