Abschiebestopp nur noch für niemanden

■ Innensenator will selbst Einreise mit falschen Papieren zum Abschiebungsgrund machen

Die Türkei führt Krieg in Kurdistan. Deshalb hat Bremens Innensenator bis zum 30. Juni alle Abschiebungen von KurdInnen in die Türkei gestoppt – mit Ausnahme von Personen, denen schwere Straftaten vorgeworfen werden. Diese Regelung droht jetzt allerdings ad absurdum geführt zu werden. Für heute ist nämlich die Abschiebung des 36jährigen Kurden Hüseyin B. aus Bremen in die Türkei geplant. Verwicklung in den Drogenhandel wird ihm allerdings nicht vorgeworfen. Er soll abgeschoben werden, weil er gemacht hat, was fast alle Flüchtlinge tun, die trotz der verschärften Asylgesetze noch nach Deutschland kommen: er hat für die Einreise ein gefälschtes Dokument benutzt.

Bei der Grenzkontrolle war das nicht aufgefallen. Denn die Aufenthaltsberechtigung, die Hüseyin B. in Istanbul für 1.500 Mark bei einer Schlepperorganisation gekauft haben will, ist echt. Sie gehört zu insgesamt 49 solcher amtlich gesiegelten Bescheinigungen, die 1992 und 93 in der Bremer Ausländerbehörde verschwunden sind. Ein Aushilfsmitarbeiter des Amtes war damals als Dieb verdächtigt und später auch entlassen worden. Der Schwund war aufgefallen, weil die nummerierten Aufenthaltsberechtigungen nur gegen Quittung an die einzelnen SachbearbeiterInnen ausgegeben werden.

Als Hüseyin B. am Montag in der Bremer Ausländerbehörde seinen Paß vorlegte, um sich darin die Duldung bis zum Ende des Abschiebestopps für KurdInnen am 30. Juni bescheinigen zu lassen, fiel dem Sachbearbeiter auf, daß die darin eingeklebte zweijährige Aufenthaltserlaubnis zur Serie der damals gestohlenen gehörte. B. wurde festgenommen und sitzt seitdem in Abschiebehaft.

Sein Anwalt Albert Timmer hat gestern beim Verwaltungsgericht die Aussetzung der für heute geplanten Abschiebung beantragt. Schließlich habe sich B. keiner Straftat, schon gar keiner schweren, schuldig gemacht. Somit müsse schon aus Gründen der Gleichbehandlung auch für ihn der Bremer Abschiebestopp gelten.

Die von der Ausländerbehörde vorgeworfene Urkundenfälschung habe B. keineswegs begangen. Er sei vielmehr davon ausgegangen, von der Schlepperorganisation in Istanbul ein echtes Visum erhalten zu haben, um nach Deutschland fliehen zu können, erklärte Anwalt Timmer dem Gericht. Auch der für eine Urkundenfälschung erforderliche Vorsatz habe ganz offenbar nicht bestanden. Denn wenn B. gewußt hätte, daß es sich bei dem Zettel in seinem Paß um eine Fälschung handelt, hätte er ihn mit Sicherheit nicht ohne Not bei der Ausländerbehörde vorgelegt.

„Das kann nicht sein, daß B. an die Echtheit des Dokuments geglaubt hat“, meint dagegen Dieter Trappmann, Leiter der Bremer Ausländerbehörde, „der ist doch nicht zum ersten Mal in Deutschland.“ Und Merve Pagenhardt, Sprecherin von Innensenator Friedrich van Nispen, sagt: „Das war auf jedem Fall Urkundenfälschung, und so etwas ist eine schwere Straftat, die die Abschiebung rechtfertigt.“ B. selbst hatte dagegen bei der Anhörung der Ausländerbehörde berichtet, daß er sich die Fluchtmöglichkeit nach Deutschland in Istanbul für 5.000 Mark erkauft hatte – 1.500 für das vermeintliche „Visum“, 1.500 für das Flugticket und die Bestechung des türkischen Zöllners bei der Ausreise und 2.000 für die Schlepperorganisation.

„Wird Hüseyin B. abgeschoben, läßt sich nach Gutdünken jeder Kurde abschieben“, schließt Anwalt Timmer aus dem Fall, „dann besteht der Abschiebestopp nur auf dem Papier.“ Ase