Eine Fußballfeier mit politischem Ausgang

■ Auseinandersetzungen in Kreuzberg zwischen rechten und linken Türken nach einem EM-Qualifikationsspiel / Im Polizeibericht findet sich darüber kein Wort

Der gestrige Pressedienst der Polizei verbuchte es unter dem Stichwort „Freudentaumel“ einiger hundert türkischer Fußballfans, ein Zeuge hingegen sprach gegenüber der taz von Auseinandersetzungen zwischen Linken und Rechten. Am Mittwoch hatte sich, so der Polizeibericht, gegen 10 Uhr abends spontan ein Autokorso von rund 150 Fahrzeugen gebildet, der bis kurz vor Mitternacht Teile der westlichen Innenstadt und Kreuzbergs lahmlegte.

Anlaß für das Freudenfest war der kurz zuvor errungene Sieg der türkischen Fußballnationalmannschaft im Europameisterschafts- Qualifikationsspiel gegen die Schweiz. Während die Fahrzeugkolonne noch den Kurfürstendamm passierte, kamen laut Polizei weitere 200 Fans im Kreuzberger Dreieck zwischen Oranienstraße, Adalbertstraße und Kottbusser Tor zusammen, um „mit Böllern“ den Sieg ihres Teams zu feiern.

Ganz anders klang dagegen die Schilderung eines Kreuzberger Anwohners. Der zunächst friedlich verlaufene Autokorso hätte kurz nach zehn zu einer Menschenansammlung an der Ecke Adalbert-/Oranienstraße geführt. Einzelne Teilnehmer hätten die Hand zum Symbol der verbotenen türkischen Rechtsextremistenorganisation „Graue Wölfe“ geformt – mit dem nach oben gestreckten Zeigefinger und kleinem Finger sowie dem nach unten gebogenen Rest der Hand.

Später kam es nach Angaben des Zeugen unterhalb eines Wohnblocks, der über die Adalbertstraße führt, zu Auseinandersetzungen. Dort befinde sich ein von linken Türken und Kurden besuchtes Café. Zunächst hätten sich Rechte wie Linke gegenseitig beschimpft („Die Türkei ist das Grab der PKK“ und „Kurdistan ist das Grab der Türkei“), später seien Steine geflogen. Einige der rechten Demonstranten hätten auch offen Schußwaffen zur Schau gestellt. Während der gesamten Aktion hätte die Polizei den Zug der offensichtlich rechtsextremistisch eingestellten Türken geschützt.

Davon stand im gestrigen Polizeibericht kein Wort. Dort las sich der Kreuzberger Abend wie ein Allerweltsereignis, bei dem allenfalls die Verkehrsbehinderungen die Aufmerksamkeit der Beamten erregten. Von Steinwürfen, rechtsextremen „Grauen Wölfen“ und einer Festnahme, die der Zeuge beobachtet haben will, fand sich ebensowenig ein Wort wie vom offensichtlichen Umschlagen einer Fußballfeier in eine politische Demonstration. Oder war damit gemeint, was sich als letzter Satz im Polizeibericht wiederfindet: „Um Mitternacht war der Spuk vorbei“? Severin Weiland