Orte: Erscheinungen Von Claudia Kohlhase

Erscheinungen müssen ja nicht immer bluten. Erscheinungen können eventuell sogar auch radschlagen oder Kartoffelkroketten fressen. Kurzum können Erscheinungen echt sein, auch wenn sie noch so schön sind, zum Beispiel ein Pfau.

Also der Pfau. Wenn der Pfau aus sich herausgeht, dann aber hallo. Das haut die stärkste Ente um und sogar periphere Perlhühner. Natürlich leben Pfauen im Kurpark im Huckepack, aber zur Abwechslung auch mal nicht. Wenn nicht, dann kann es sein, daß Pfauen Hansi heißen und in Schafställen auf der Hühnerstange vorkommen. Das ist womöglich sogar artgerechter als unter Pflaumenkuchen mit und ohne Sahne, weil Pfauen auch nur mit dem Hals ruckeln, wenn sie nicht radschlagen. Trotzdem ist der Pfau aber kein Huhn; und darum interessiert hier auch gefälligst nicht, was den Pfau als Pragmatiker auszeichnet, also wohin er in der Regel seine Eier legt oder ob er prinzipiell aussterbend ist.

Jedenfalls kommt er nun mal da vor, wo er ist, und muß ebenda auch in Erscheinung treten. Denn bei Pfauen fallen Schein und Sein ja derart hübsch zusammen, daß es eine Schande wäre, drinnen zu bleiben, egal wo. Jetzt aber: für wen herauskommen, wenn keiner da ist? Für uns, die wir seiner nicht würdig sind? Aber was macht man nicht alles. Jetzt: wo sind wir, ungefedertes Gesocks? Im Bett, im Wald, im Flur oder in ähnlich albernen Enfernungen von Schafställen, aus denen Pfauen heraustreten. Okay, okay, da sind noch zwei, drei mickrige Kleintiere, wenn auch fellbezogen. Die könnten durchaus Augen machen, wenn sie nicht mit Bespringen mehr als ausgelastet wären und selbst vor der Homoerotik nicht zurückzucken, schließlich ist Frühling.

Eben der Frühling. Das ist es ja. Hansi ist in Not. Weit und breit kein Weibchen, nur, wie gesagt, wir, Gesocks, auch nirgends königsblau. Da nützt nicht mal anschwellender Bocksgesang mit melancholischem Kammermusikeinschlag, da ist nur noch Ermangelung. Also hat Hansi beschlossen, die Welt als substituiertes Weibchen anzusehen. Denn die Möglichkeit des zu schlagenden Rades drängt mit Macht zur geschlagenen Tatsache. Nachher rostet was, bloß wegen uns.

Und darum stürzen wir bei Hansis Austritt augenblicklich aus Wald und Flur, damit Hansi nicht glauben muß, es gäbe kein richtiges Leben im falschen Stall. Wir klatschen dann ein bißchen und rufen Bravo und locken mit Jod- S-11-Körnchen erfahrene Enten an. Meist kommen dann empathische Weibchen und halten ein Weilchen ihren Hintern hin. Leider nicht wirklich, sondern nur in seine Richtung, der Arme. Aber ein Pfauenrad verlangt elegante Balance an Ort und Stelle, und unkoordiniertes Hinterherrennen hinter Mädels ist einfach zu unschön und fleddert auch. Da fällt alles viel zu schnell wieder zusammen, der ganze stolze Apparat.

Und auch wenn sich das ein oder andere Schwimmtier beflissen nähert: Der Abstand bleibt stabil – das Rad ist selbst für extrem altruistische Enten zu hinderlich. Großer Hansi, was nun? Hansi klappt seine Pracht wieder zusammen und fliegt beleidigt aufs Dach. Denn am Ende sind die ganzen tausend Augen auch nur ein Schwanz.