Demokratie für Schengen abgelehnt

■ Bündnisgrüne wollten parlamentarische Kontrolle aus den Niederlanden übernehmen und wurden abgeschmettert

Bonn (taz) – Taktisch klug hatte sich der bündnisgrüne Abgeordnete Manfred Such gedacht: Was in Belgien und den Niederlanden geltendes Gesetz ist, kann wohl auch dem Bundestag nicht zuweit gehen. Doch vorgestern wurde Such eines Besseren belehrt. In beiden Nachbarstaaten wird die Durchführung des Schengen-II- Vertrags deutlich besser kontrolliert als in der Bundesrepublik. Schengen II soll den freien Personenverkehr innerhalb von zehn EU-Staaten vor allem durch eine rigide Sicherung der Außengrenzen ermöglichen.

Die näheren Entscheidungen zu Schengen trifft ein Exekutivausschuß, in dem alle Regierungen mit je einem Sitz vertreten sind. Das Europäische Parlament hat dort nichts zu melden, da der Vertrag ein eigenständiges völkerrechtliches Gebilde darstellt. Die Parlamente von Belgien und den Niederlanden haben bei der Ratifizierung von Schengen II eigene Kontrollrechte durchgesetzt, die europaweit beispielhaft sind. In Belgien muß die Regierung dem Parlament die Tagesordnung des Exekutivausschusses rechtzeitig vorlegen, so daß das Parlament bei Bedarf bei der Regierung intervenieren kann. Jährlich soll außerdem ein Bericht über die Beachtung der Europäischen Menschenrechts- Konvention durch die Schengen- Staaten erfolgen. Die Regelung in den Niederlanden geht noch weiter. Immer wenn im Exekutivausschuß verbindliche Regelungen beschlossen werden, muß die Regierung sich zuvor im Parlament ein zustimmendes Votum abholen.

Diese Bestimmung stellten die Grünen zur Abstimmung und mußten sich vom CDU-Abgeordneten Gero Pfennig belehren lassen, daß die Regelungen der beiden Benelux-Staaten „an der deutschen Verfassung geradezu vorbeigingen“. Es stelle das parlamentarische System auf den Kopf, wenn es die Regierung in internationalen Gremien an die Kette legen könne. Man wolle sich allerdings dafür einsetzen, so Pfennigs Trost, daß das Europäische Parlament mehr Rechte bekomme.

In getrennter Abstimmung stimmte der Bundestag anschließend alle Vorschläge von Such nieder. Selbst die Verankerung einfacher Informationsrechte des Parlaments wurde abgelehnt. Auch die SPD hat mit den Koalitionsfraktionen gestimmt. Such konnte es nicht fassen: „Abgeordnete, die ihr demokratisches ,Kastrat‘ vorziehen, mögen den BürgerInnen künftig jegliches pharisäerhafte Geschwätz über mehr Transparenz in Europa ersparen.“ Christian Rath