Türkei protestiert gegen Europarat

■ Türkische Abgeordnete verlassen aus Protest gegen Ultimatum die Parlamentarische Versammlung / Rückzug der Türkei auch aus Minister-Komitee?

Straßburg/Ankara (AFP) – Die türkische Delegation in der Parlamentarischen Versammlung des Europarats hat gestern aus Protest gegen die scharfe Kritik an der Türkei ihre Zusammenarbeit mit dem Staatenbund eingestellt. Sie reagierten damit auf eine am Vorabend angenommene Entschließung, in der die Türkei ultimativ zur Achtung der Menschenrechte und zum völligen Rückzug aus dem Norirak aufgefordert worden war.

Erstmals hatte die Versammlung damit gedroht, die Türkei wegen der anhaltenden Verletzungen der Menschenrechte aus der Länderorganisation auszuschließen. Weder nach der Besetzung Nordzyperns vor 21 Jahren noch nach dem türkischen Militärputsch von 1980 hatte sich der Europarat zu diesem Schritt entschlossen.

Der türkische Vizeministerpräsident Hikmet Cetin nannte die Entschließung unannehmbar. Mit ihrem Vorgehen befördere die Parlamentarierversammlung indirekt den Zerfall der Türkei, sagte Cetin dem türkischen Privatsender ATV. Und Engin Güner von der Mutterlandpartei forderte vom Minister-Komitee, „daß es die Souveränität der Türkei respektiert“. Falls dies nicht geschehe, sei zu erwarten, daß sich die Türkei auch aus dem Minister-Komitee zurückziehe und damit seine Mitgliedschaft im Europarat insgesamt suspendiere.

Noch immer Granaten auf Dörfer im Nordirak

Dohuk (taz) – Auch nachdem der größte Teil der türkischen Truppen die irakisch-türkische Grenze Richtung Heimat überschritten hatte, beschoß die türkische Armee über die Grenze hinweg ein kleines Gebirge südlich von Sacho. Viele BewohnerInnen, die aus grenznahen Dörfern geflohen sind, sind noch nicht zurückgekehrt. „Türkische Truppen haben am Mittwoch morgen unser Gebiet von der irakisch-türkischen Grenze aus bombardiert. Wir haben mehrmals die Detonationen gehört“, erzählt ein Mann in einem der kleinen Zeltlager, die sich östlich von Sacho befinden. Solange das nicht aufhöre, könnten sie nicht zurückkehren.

Die 12.000 Soldaten, die sich laut türkischen Angaben noch entlang der türkisch-irakischen Grenze aufhalten, sind unsichtbar und von den kurdischen Bergen verschluckt. Eine Fahrt entlang der ehemaligen Positionen im westlichen Teil des Nordiraks zeigte verlassene Lager, wo Kinder leere Büchsen sowie Plastikflaschen einsammelten. In einigen Tälern weiter nördlich hat die PKK schon wieder die Kontrolle übernommen. Als die Türken einmarschierten, wanderte die PKK gen Osten. Am Tag des türkischen Abzugs war sie wieder hier. Die Stärke der Guerilla ist unverändert. Die Tatsache, daß einige ihrer Nahrungsmittelvorräte und Wolldecken entdeckt wurden, bedeutet für sie noch lange nicht das Aus, meint ein Verantwortlicher der Demokratischen Partei Kurdistans (KDP).

Die ausländischen Militärexperten in der Region sind sich einig: Die türkische Invasion war ein organisatorischer und strategischer Reinfall. Der Truppeneinmarsch der Türken hat nichts gebracht, sagt auch Abdulaziz Tahib, der Gouverneur von Dohuk, nach dem Abzug von 20.000 türkischen Soldaten. Im Gegenteil. Nach den diversen Übergriffen und Morden werden die KurdInnen hier tendenziell eher zur PKK als zur Türkei stehen. Cristina Karrer