Wo der Ochsenkutscher trabt

■ Neu im Kino: „Brigitta“ von Dagmar Knöpel, eine Idylle an Film/ Läuft im „Cinema“

Ein junger Mann wandert mit wehendem Haar und großen Augen durch eine Landschaft. Er läßt sich Zeit, plaudert mit den Bauern und Fuhrleuten, obwohl er ihre Sprache nicht versteht. Wenn ihm ein Ausblick gefällt, lehnt er sich an einen Baum und zeichnet einen Bachlauf, einen Hügel oder eine Wiese. Diese sanfte Langsamkeit durchzieht den ganzen Film. Die junge Regisseurin Dagmar Knöpel hätte sich gar nicht so viel Mühe geben müssen, um uns mit authentischen Requisiten, Kostümen oder alten Häusern davon zu überzeugen, daß sie eine Geschichte aus der Mitte des 19. Jahrhunderts erzählt. So besinnlich und weltvergessen wie dieser junge Mann geht heute niemand mehr durch eine Landschaft. Der Film pulsiert im Rhythmus einer verlorenen Zeit.

Seltsamerweise werden einem diese langen Einstellungen von Landschaften oder Bauern, die in der Arbeitspause herzhaft ihre Suppe löffeln, nie langweilig. Die romantische Atmosphäre kippt auch nicht ins Lächerliche. Der Film hat eine ganz eigene, verzaubernde Grundstimmung: eine Idylle, die nie ins kunstgewerblich Kitschige abfällt. Dagmar Knöpel hält da eine ganz feine Balance. Sie drehte in schwarz/weiß; in Farbe wären die Bilder wohl unerträglich schön geworden.

Die literarische Vorlage des Films, eine Novelle von Adalbert Stifter, dient der Regisseurin eher als Vorwand für ihre Stimmungsbilder. Wichtiger als die melodramatischen Geheimisse eines ungarischen Gutsherren und seiner geheimnisvollen Nachbarin sind hier die Schatten der Bäume in einem Hohlweg oder die Art, wie ein besonders langsamer Ochsenkutscher fast im Gehen einschläft. So entpuppt sich selbst ein Aspekt des Films als Vorteil, der bei einer normalen Literaturverfilmung fatal gewirkt hätte: Da nur unser junger Held deutschsprachig ist und die Regisseurin sich entschied, alle anderen Rollen mit Ungarn zu besetzten, die nur ein sehr holpriges Deutsch sprechen, wirken alle Dialoge sehr hölzern und förmlich. Keiner der Schauspieler kann wirklich befreit aufspielen, weil sie offensichtlich genug Schwierigkeiten damit haben, die Worte richtig auszusprechen. Aber gerade diese immer etwas statischen Dialogszenen verstärken die elegische Tonlage des Films.

Dies ist sicher kein Film für jeden Geschmack. Wenn man sich aber auf den entspannten Stil von Dagmar Knöfel einläßt, bietet einem „Brigitta“ 80 Filmminuten lang Ruhe und die wirkt „mit einem gewissen schönen und sanften Reize des Geheimnisvollen auf unsere Seele“. (Adalbert Stifter, „Brigitta: Steppenwanderung“)

Wilfried Hippen Cinema Ostertor, täglich 19 Uhr