Spaniens Parteien im Streit: Was tun mit ETA?

■ Regierung und konservative Opposition gegen Dialog, für Polizei

Madrid (taz) – Seit dem nur knapp mißglückten Anschlag der baskischen ETA auf den Oppositionsführer José María Aznar von der konservativen Partido Popular (PP) am Mittwoch vergangener Woche ist der alte Streit unter Spaniens Parteien wieder neu entbrannt: Wie umgehen mit der ETA? Gespräche, zumindest mit dem politischen Umfeld der baskischen Separatisten, oder noch mehr Polizei?

José María Aznar, dem Umfragen nach dem Attentat erstmals die absolute Mehrheit bei Parlamentswahlen voraussagen, hat sich zum Ziel gesetzt „den Autonomien ihre Grenzen aufzuzeigen“ Seit jeher ist es ihr strikter Zentralismus, der die konservative PP von konservativen Regionalparteien, wie etwa der katalanischen CiU, unterscheidet. Die Baskische Nationalistische Partei (PNV), die seit 18 Jahren im Baskenland regiert, leistet in Aznars Augen „den Gewalttätern“ Vorschub. Die Gesprächsangebote der PNV an das Umfeld von ETA stellten die „Einheit aller Demokraten“ in Frage. „Ich hoffe, daß die PNV den Mut besitzt, ihr Gewissen einer ausgiebigen Prüfung zu unterziehen“, schloß Aznar seine Vorwürfe.

PNV-Sprecher Xabier Arzalluz konterte scharf: Aznar spreche für „die Ewiggestrigen, für die, die uns hassen, für die Befürworter Großspaniens“. Die, die heute mit antibaskischen Parolen auf Stimmenfang gehen, „sind die gleichen, die uns einst verfolgen ließen“, erinnert er Aznar an die Franco-Vergangenheit der PP-Gründergeneration. Auch in der Zukunft wird die PNV an dem 1988 zur Befriedung des Baskenlandes begründeten Pakt aller demokratischen Parteien teilnehmen. Allerdings nur unter einer Bedingung, „wenn dessen Inhalte voll umgesetzt werden“. Und das sind eben auch: Wiedereingliederung der Gefangenen, Menschenrechte, Dialog. Wer das verneint, so PNV-Sprecher Egibar, der wolle offenbar nicht wirklich Frieden. „Der baskische Konflikt ist ein politischer Konflikt, und kann als solcher auch nur auf politischem Wege gelöst werden“, fügt er hinzu.

ETA hat dazu eigene Vorstellungen. Im Bekennerschreiben zum Anschlag auf Aznar schlägt die Gruppe einen Waffenstillstand vor. Neben einer Amnestie für die 600 Gefangenen sei es nötig, „daß der Staat das Recht auf Selbstbestimmung und die territoriale Einheit des Baskenlandes anerkenne“. Parallel zu Verhandlungen zwischen ETA und Regierung soll ein „demokratischer Prozeß“ eingeleitet werden, in dem die Organisationen der baskischen Bevölkerung „über die zukünftige Verfaßtheit des Baskenlandes entscheidet“.

Regierungschef Felipe González will davon erwartungsgemäß nichts wissen. Einmal mehr beschwor er diese Woche im Parlament die Einheit aller demokratischen Kräfte, „verbunden mit einer Intensivierung der Arbeit der Geheimdienste und der Repression gegen den Terrorismus.“ Währenddessen denken verschiedene Richter laut über ein Verbot der ETA-nahen Wahlkoalition Herri Batasuna nach. Dabei erhalten sie Unterstützung aus dem Innen- und Justizministerium: „Wenn es an gesetzlichem Handwerkszeug fehlt, muß dies geschaffen werden“, so Minister Juan Alberto Belloch.

Selbst in Regierungskreisen will man dies nicht unwidersprochen lassen. Josep Duran Lleida von der katalanischen CiU, auf deren Unterstützung die Minderheitsregierung González baut, gibt zu bedenken: „ETA ist nicht wie die deutsche RAF oder die italienischen Roten Brigaden eine kleine, gesellschaftlich isolierte Gruppe. Sie baut auf die Unterstützung von Herri Batasuna, und damit auf 15 Prozent der Wählerstimmen im Baskenland.“ Reiner Wandler