Das Fieber sinkt wieder

■ Bremerhaven diskutiert kritisch über den Ozean-Park: Ist er die Millionen wert?

Um ein Haar wäre die Stimmung gekippt bei der Podiumsdiskussion „Pro und Contra Ozean-Park“ am Freitagabend in Bremerhaven. Die Grünen hatten nämlich nicht nur Verfechter der Idee geladen, sondern zum Beispiel auch den Hanoveraner Tourismus-Forscher Mathias Behrens-Egge. Der hatte sich das Rentabilitätsgutachten des Ozean-Park-Planers Chermayeff und der amerikanischen Firma IDEA genauer angeschaut. Und war auf Ungereimtheiten gestoßen, wofür ihm das Publikum applaudierte. Der Ozean-Park-Befürworter Volker Holm, Bremerhavens Baudezernent, lief darauf rot an: Man erkläre ihn hier wohl für „meschugge“, ihn, der sich schließlich seit Wochen mit dem Gutachten beschäftige.

Euphorisch hatten zunächst viele in Bremerhaven reagiert, als Mitte März der Plan für einen Ozean-Park mit Großaquarium, Forschungszentrum, wissenschaftlichem Spielplatz, Imax-Kino sowie Hotels und Läden auf dem brachliegenden Gelände Alter/Neuer Hafen vorgestellt worden war. Mittlerweile macht sich hinter vorgehaltener Hand Nachdenklichkeit breit: Ist dieses Großprojekt das richtige für Bremerhaven? Ist es wirklich der Rettungsanker für die von den alten Gewerben Fischindustrie, Schiffbau und Hafen mehr schlecht als recht lebende Stadt?

Statt der Vision auf den Leim zu gehen, fragte der Tourismusforscher Mathias Behrens-Egge am Freitagabend erstmal nach dem Preis. Denn die Öffentliche Hand (ob Stadt, Land oder EU) soll nach dem Konzept von Planer Chermayeff weit mehr als die Hälfte aller Kosten tragen, am liebsten 80 Prozent. Behrens-Egge errechnete für einen Abschreibungszeitraum von zehn Jahren rund 30 Mio.öffentliche Ausgaben pro Jahr, denen nur rund 6 Mio. aus Gewerbesteuern und Kaufkraftzuwachs pro Jahr gegenüberstünden. „Ist uns das der Ozean-Park wert, oder ist man damit nur die Sorge für dieses Bauland los?“ fragte er ironisch.

Paah, schnaubte da der Baudezenent, nur die Sorge los? Seit 20 Jahren schon bemühe man sich um Investoren für das 60 Hektar-Areal. Was habe es nicht alles an Ideen und Wettbewerben gegeben! Nur nie Investoren. Bis man 1993 den verzweifelten und vielfach belächtelten Versuch wagte, international zum Beispiel in der Financial Times einen Investor für eine Tourismus- und Freizeitanlage zu werben. Erfolg: 190 Zuschriften aus 29 Ländern! Darunter der Geschäftsmann Peter Chermayeff, der schon anderenorts Großaquarien und Umwelt-themen-Parks hingestellt hat. Ein Mann, der zudem nicht nur planen, sondern auch durchführen und betreiben will – allerdings selbst noch Investoren suchen muß. Ein Glücksgriff, findet Holm.

Jaja, meinte dazu der von den Grünen geladene Behrens-Egge: Die Idee ist gut, aber der Ort? Und flugs wies er auf diverse Beschönigungen in dem Rentabilitätsgutachten hin. Nur ein Beispiel: Erfahrungsgemäß fahren die Deutschen höchstens 80 Kilometer weit und längstens zwei Stunden für einen Ausflug. Der Plan der Amis setzt aber sogar 175 Kilometer an. Okay, sagt Behrens-Egge, aber diese 175 muß man dann entlang realer Straßen messen, nicht einfach einen 175-km-Zirkelkreis um Bremerhaven ziehen. Nordsee-InselurlauberInnen sind zwar per Luftlinie nicht so weit weg, müssen aber erst noch eine Fahrt mit der Fähre auf sich nehmen. Reale Wege und Wegzeiten gerechnet käme man dann nicht auf 1,2 Mio. BesucherInnen im Jahr, sondern auf höchstens eine halbe Million. Zwar schaffe der absolute Publikumsmagnet Vogelpark Walsrode rund eine Million, liege aber auch supergünstig direkt am Autobahnkreuz und mitten zwischen den Großstädten Hamburg, Bremen und Hannover. „Wird hier alles um ein Drittel bis die Hälfte geschönt?“

Unsinn, verwahrte sich dagegen Bremerhavens wohl eifrigster Ozean-Park-Befürworter, der Leiter der Tourismusförderungsgesellschaft, Siegesmund von Dobschütz: 300.000 BesucherInnen pro Jahr schaffe ja allein schon das Schiffahrtsmuseum und zwar ohne große Reklame. Außerdem sei der geplante Ozean-Park kein Park neben vielen anderen Freizeitparks, sowas gebe es doch in Deutschland noch gar nicht. Dafür würden die Leute längere Wege in Kauf nehmen. Und Einzelhandesverbandsvoständler von der Heide wußte aus Erfahrung, daß schon jetzt die InselurlauberInnen regelmäßig einen Bremerhaven-Tag einlegten.

Mittlerweile hatte sich Baudezernent Holm längst wieder beruhigt, schrieb die kritischen Anmerkungen von Behrens-Egge mit und ließ sich auch dessen Visitenkarte geben. Schließlich stehen die Verhandlungen mit Chermayeff um die Höhe der Beteiligung der Öffentlichen Hand noch bevor, da kann er Argumente gut brauchen. „Das ist natürlich ein klassischer Interessengegensatz. Denn eins ist klar: Die Amerikaner möchten möglichst viel öffentlich finanziert, wir möglichst viel privat.“

Zwar schienen, so der Baudezernent, die Kosten für die Öffentliche Hand immens, doch möge man sich doch bitte auch mal vor Augen führen, was derzeit für die Carl-Schurz-Kaserne ausgegeben werden vom Staat: Ähnlich viel wie für den Ozean-Park, nämlich 400 Millionen, die aber allein für die Anbindung mit Straßen, für Altlastenbeseitigung, Abrisse ... Alles Vorleistungen der Öffentlichen Hand, damit dorthin private Investoren kommen. Holm: „Das sind klassische Wirtschaftsförderungsmaßnahmen.“ cis