■ Das erste Diesel-Bike der Welt in Serie
: Das Motorrad riecht nach Pommes

Karlsruhe (taz) – Wenn Gerd Engmann mit seinem Motorrad an einer Tankstelle vorfährt, dann wird er regelmäßig beschimpft. „Sie stehen dort falsch. An der Säule gibt es nur Diesel“, rufen ihm die Tankwarte entgegen. Genau diesen Treibstoff jedoch braucht der Baumaschinenhändler aus Haslach im Kinzigtal für sein exotisches Zweirad. Handelt es sich dabei doch um eine Enfield Robin, einen Sparkünstler indischer Herkunft und das weltweit erste in Serie gefertigte Motorrad mit Dieselantrieb. Wenn auch bisher nur knapp 30 der klassischen Bikes gefertigt wurden, so gilt es doch von der Idee Abschied zu nehmen, daß Motorräder – egal ob Zwei- oder Viertakter – ausschließlich mit Ottoantrieb laufen.

Worüber Umweltpolitiker und Verantwortliche der Automobilindustrie ernsthaft nachdenken, das unterbietet das Motorrad in seiner klassischen Schlichtheit längst. Scheint bei den Pkw das Drei-Liter-Auto noch in weiter Ferne, so verbraucht das Motorrad mit dem Einzylinder-Diesel-Motor und 412 Kubikzentimetern Hubraum zwischen 1,2 und 1,8 Liter Diesel. Auf 100 Kilometer wohlgemerkt. Und das ergibt bei einem Tankvolumen von 14,5 Litern eine Reichweite von 800 Kilometern. Seine eigene Maschine fährt Engmann ausschließlich mit Bio-Diesel, den er ohnehin an keiner Tankstelle erhält. Dafür lernt er ungeahnte Motorraddüfte kennen. „Das riecht wie an einer Pommes-Bude“, erklärt der gebürtige Hamburger.

Vor knapp vier Jahren fand eine kleine Gruppe motorradbegeisterter englischer und deutscher Baumaschinenhändler mit Gerd Engmann an der Spitze, daß der japanische Fuji Robin-Diesel eigentlich zu sehr nach Motor ausschaut, um nur als Aggregat für die Stromerzeugung eingesetzt zu werden. So entstand die Idee, den Einzylinder in ein Motorrad einzubauen. Voraussetzung: Das Zweirad müßte ein separates Getriebe haben, dann kann das Triebwerk einfach ausgetauscht werden. Ein solches Motorrad wurde in der Enfield Bullet gefunden, die im indischen Madras gefertigt wird. Zunächst freilich wurde der Klassiker 1955 als Royal Enfield Bullet im britischen Königreich hergestellt.

Wenn Gerd Engmann seinen Kaltblüter der Landstraße ohne das lästige Vorglühen mit Elektrostarter anläßt, dann entweicht dem Auspuff eine schwarze Rußfahne, und die hämmernde Akustik eines Traktors ist deutlich vernehmbar. Neben diesem zweirad-untypischen Sound müssen sich die Fahrer auch daran gewöhnen, daß der Schalthebel rechts statt links und die Fußbremse auf der anderen Seite des Motorblocks zu finden ist.

Bis zum ersten Motorstart allerdings müssen einige Hürden genommen werden. Und der TÜV ist dabei die geringste. Engmanns englisches Unternehmen zerlegt in mehr als 100 Arbeitsstunden das in Indien gefertigte Motorrad. Im englischen Northampton werden die gröbsten Mängel – das sind nicht wenige – beseitigt, die Maschine wird neu lackiert. Der Motor leistet bei 3.600 Umdrehungen pro Minute 9,5 PS. Das reicht für eine Reisegeschwindigkeit von 90 Stundenkilometern.

So lobenswert der Minimalverbrauch des Selbstzünders ist, so lange dauert es, bis Rechenkünstler mit dem Motorrad auf ihre Kosten kommen. Liegt der Preis der indischen Maschine, die in England von einer deutschen Firma umgerüstet wird, doch bei stolzen 14.000 Mark. Für diesen Preis ist die Maschine von der Konstruktion her einfach zu alt, der Motor zu behäbig und der Komfort zu gering. Und dennoch, einige Liebhaber dieses klassischen Motorrades sind zwischen Lörrach und Offenburg zu sehen. Nein: vor allem zu hören. Joachim Siegel