Feuerpause vor allem zur Beruhigung der Diplomatie

■ Eingehalten wurde die 32. Waffenstillstandsvereinbarung nur in den ersten Wochen

„Die Situation in Bosnien ist nicht befriedigend. Aber wir haben die Hoffnung auf einen Erfolg der Bemühungen des Sonderbeauftragten Yasushi Akashi um eine Verlängerung des Waffenstillstandes noch nicht aufgegeben.“ Mit dieser vom Sicherheitsrat verordneten Sprachregelung hatte UNO- Sprecher Joe Sills am vergangenen Freitag bei den Journalisten im New Yorker Hauptquartier nur noch müdes Gelächter hervorgerufen. Um dann mit gelangweilter Routinestimme die Liste der jüngsten Waffenstillstandsverletzungen in Bosnien vorzutragen und geduldig die von plumper Propaganda durchsetzten „Fragen“ der „Journalistin“ der serbischen Nachrichtenagentur Tanjug über sich ergehen zu lassen, die auch bei den anwesenden KorrepondentInnen inzwischen nicht mehr auf Protest stoßen.

Ob bei UNO-Beamten, Diplomaten oder journalistischen BeobachterInnen — zum Thema Bosnien herrscht im UNO-Hauptquartier nur noch gelangweilte Routine vor. Viele versuchen, ihre tiefe Ratlosigkeit mit Zynismus zu überspielen. Wer sich von Amts wegen zum Thema äußern muß, flüchtet sich in leere Floskeln, die nicht selten von großer Ahnungslosigkeit zeugen. Bislang ist nicht absehbar, daß sich daran nach dem Scheitern von Akashis Bemhüngen sehr viel ändern wird.

Nach Auslaufen der Waffenstillstandsvereinbarung am Montag mittag meldete sich UNO-Generalsekretär Butros Butros Ghali aus dem neuseeländischen Wellington zu Wort und versuchte, Optimismus zu verbreiten. Auch „ohne eine neue Vereinbarung zwischen den bosnischen Kriegsparteien“ könne die „Waffenruhe respektiert werden“.

Für die Bemühungen des UNO- Sonderbeauftragten Akashi um die Verlängerung der zum 1. Januar in Kraft getretenen Waffenstillstandsvereinbarung hatten sich zuletzt nicht einmal mehr die KollegInnen von den japanischen Medien interessiert. Zumal die zu Weihnachten 94 von Ex-US-Präsident Jimmy Carter ausgehandelte 32. Waffenstillstandsvereinbarung seit Kriegsbeginn im April 1992 ohnehin vor allem zur Selbstberuhigung der internationalen Diplomatie gedient hatte. Eingehalten wurde die Waffenruhe nur in den ersten Januarwochen. Und wichtige Teile des Abkommens, wie die Öffnung aller Hilfsrouten, die uneingeschränkte Bewegungsfreiheit für die Unprofor und die humanitären Organisationen wurden wegen Widerstandes der Pale-Serben überhaupt nicht umgesetzt.

Mit ihren Einbrüchen in von UNO-Soldaten bewachte Waffendepots und mit dem Beschuß Sarajevos aus diesen Waffen innerhalb der 20-Kilometer-Ausschlußzone hatten die Serben in den letzten vier Monaten zudem auch frühere Vereinbarungen zu Makulatur gemacht. Das gilt inzwischen auch für das Abkommen vom Frühjahr 1993, mit dem der Flughafen Sarajevo unter UNO-Kontrolle gestellt und für Flüge der Unprofor und des Internationalen Roten Kreuzes offengehalten wurde. Längst bestimmen die Serben mittels der Verweigerung von „Sicherheitsgarantien“ oder gar mit offenen Abschußdrohungen über die Fracht und die Passagierlisten der Flugzeuge. Seit über zwei Wochen ist der Flughafen geschlossen.

Dennoch klammerten sich zumindest die Diplomaten im Sicherheitsrat bis zuletzt an die Hoffnung auf eine Verlängerung. Bis gestern hat das höchste UNO-Gremium nicht über die Lage in Bosnien und über die Konsequenzen aus einem Scheitern der Bemühungen Akashis diskutiert. Dabei haben nach den Franzosen letzte Woche auch die Russen öffentlich den Abzug ihrer Unprofor-Soldaten angekündigt für den Fall, daß die Kämpfe in Bosnien eskalieren. Ein Abzug von Franzosen und Russen bedeutete unweigerlich das Ende der gesamten bisher 24.000 Soldaten umfassenden Unprofor-Operation in Bosnien. Das ist den Verantwortlichen in der Peacekeeping-Abteilung im UNO-Hauptquartier völlig klar. Hier geht man auch davon aus, daß bei einem Zusammenbruch der Bosnien-Operation auch die Mission in Kroatien abgebrochen werden muß. Zumal UNO- Unterhändler Thorvald Stoltenberg auch in vierwöchigen Verhandlungen keine Einigung zwischen der Regierung in Zagreb und den Knin-Serben herbeiführen konnte über die Umsetzung des Mandats für die seit 1. April UNCRO benannte UNO-Truppe.

Umstritten ist weiterhin, wie viele der künftig 8.700 UNO-Soldaten in den von Serben besetzten Gebieten verbleiben sollen und wie viele an den internationalen Grenzen Kroatiens zu Serbien und Bosnien stationiert werden sollen. Auch über die genauen Befugnisse der an den Grenzen stationierten UNO-Soldaten gibt es immer noch keinen Konsens zwischen Zagreb und Knin. Angesichts der seit Sonntag eskalierenden militärischen Zusammenstöße zwischen kroatischer Armee und Polizei mit den Milizen der Knin-Serben gelten in der New Yorker UNO-Zentrale auch die Vermittlungsbemühungen Stoltenbergs zumindest inoffiziell als gescheitert. Andreas Zumach, New York