piwik no script img

BH-Bügel im Bottich Von Tomas Niederberghaus

Die Überraschung des Abends war keinesfalls das Lexikonspiel. Obwohl Viola kollektiven Frohsinn versprach, „der persönliche Erfolg“, sagte sie, „liegt in der Kombination aus seriöser Wortwahl und gekonntem Blöffen“. Norbert sahnte ganz schön ab. Ein Diatomeen definierte er beispielsweise als „(türk.) Beistelltischchen für Teegebäck; i.d.R. aus Sandelholz mit Intarsien“. Die meisten von uns fielen prompt darauf rein. Kann ein Nichtbiologe denn wissen, daß es sich in Wirklichkeit um „eine einzellige braune Alge mit kieseliger Zellhaut“ handelt? Wohl kaum!

Jedenfalls saßen wir wohlgelaunt am Küchentisch, süffelten italienischen Wein, definierten Unbekanntes, plauderten über Quiz-Shows und die Zeit nach Robert Lembke und seiner Glückssau. Ein ausgesprochen angenehmer Abend also. Währenddessen reparierte ein Herr im Blaumann unsere Waschmaschine. Typische Handbewegung: drehen. Leichtes Stöhnen war im Nebenraum zu hören. Der Mechaniker mit dem puterroten Kopf und dem silbergrauen Haar schien von einem grenzenlosen Ehrgeiz beseelt zu sein. Er schwitzte viel und müffelte ein wenig. „Das Herz der Maschine“, erklärte er Gerhard, „ist noch gut in Ordnung“. Aber irgendein Fremdkörper habe sich hinterm Bottich verfangen. Viola verfolgte das Gespräch, verfiel in meditatives Schweigen.

Gut zwanzig Minuten vergingen. Plötzlich kam der Puterrote in die Küche, hielt einen dünnen Drahtbügel hoch, zwinkerte Viola (einzige Frau in der Wohnung) zu. Dann schrieb er die Rechnung. „BH-Bügel im Bottich“, lautete die Reparatur. Kosten: 157.50 Mark. Natürlich war es Viola etwas – sagen wir mal – unangenehm. Norbert traute Augen und Ohren nicht. „Ach“, sagte er, „daß es Büstenhalter inzwischen schon mit Stahl gibt, ist mir ganz neu.“ Den Puterroten beeindruckte der weibliche Fund wenig. „Wat glauben se“, fragt er, „wat ick den janzen Tag so allet erlebe.“ Neulich habe ihn ein Mann gerufen, dessen Waschmaschine nach dem Hals- über-Kopf-Auszug seiner Holden nicht mehr lief. Sie hatte ihm als steinharte Erinnerung die Trommel mit Gips gefüllt.

Der Puterrote quasselte wie ein orientalischer Märchenerzähler. Das fanden wir ungeheuer spannend. In einem anderen Fall habe ihn ein Yuppie verklagen wollen. Höchstrichterlich sei allerdings festgestellt worden, daß der Edelmann ein Trottel war: Nicht die Waschmaschine hatte seine italienische Leibwäsche auf die Größe einer Kinderunterhose runtergekocht, sondern er selbst durch seine dusselige Bedienung. „Mit Schiesser-Feinripp“, kommentierte der Puterrote, „wäre das nie passiert.“

Während der Blaumann aus dem Nähkästchen berichtete, nahm Norbert den BH-Verstärker. Langsam kreiste er den Draht vor seiner Brust, fühlte sich völlig unbeobachtet. Viola ertappte ihn dabei. Sie verriet ihm die richtige Stellung. „Den letzten BH, den ich zu Gesicht bekommen habe“, sagte Norbert entschuldigend, „war der meiner Mutter.“ Inzwischen sei ihm jeder Cockring näher. „Cockring“, fragte Viola, „was ist denn das?“ Wobei wir wieder beim heiteren Begriffsraten waren. Norbert definierte. „Halskrause für bengalische Kämpfhähne.“ Bestens geblöfft.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen