: Das Brecht-Haus soll ein Brecht-Haus bleiben
■ Peter Sauerbaum, Geschäftsführer des Berliner Ensembles, glaubt nicht, daß der „ausgezeichnete Rechercheur“ Hochhuth Chancen auf eine Übernahme des Hauses hat
taz: In Rolf Hochhuths Plan, das Berliner Ensemble über seine Ilse-Holzapfel-Stiftung zu kaufen, gibt es viele ungeklärte Punkte. Falls es die Senatsverwaltung für Finanzen in den nächsten Wochen für rechtmäßig erklären wird, daß die beiden Alteigentümer Wertheim/Erbengemeinschaft Saloschin einen gemeinsamen Anspruch auf das Haus haben, und falls Hochhuths Stiftung 4,5 Millionen Mark aufbringen wird, um das Theater zu kaufen, was passiert dann?
Peter Sauerbaum: Wenn die Stiftung Eigentümerin des Theaters werden würde, hätte das auf unsere Arbeit überhaupt keine Auswirkung. Wir haben einen gültigen Vertrag bis Ende 1997, der künstlerische Leiter bis dahin heißt Heiner Müller, und nach meiner Einschätzung gibt es von ihm überhaupt keine Bereitschaft, mit Herrn Hochhuth zusammenzuarbeiten.
Ab 1998 hat Rolf Hochhuth möglicherweise die Verfügungsmacht über das Haupthaus, und dann muß er der Stadt und der Öffentlichkeit erklären, wie er da Theater machen will. Das angrenzende Grundstück mit allen Nebengebäuden gehört dem Land Berlin. Für das Grundstück, auf dem das Haupthaus steht, gibt es einen Pachtvertrag auf unbestimmte Dauer, den das DDR-Ministerium für Kultur 1955 mit der Wohnungsverwaltung Mitte geschlossen hat, den damals auch Helene Weigel unterzeichnet hat. Der ist jährlich kündbar. Es ist die Frage, ob das Land Berlin dieses Grundstück jetzt kaufen wird.
Welche Schritte wird das Berliner Ensemble in dieser Sache jetzt unternehmen?
Rolf Hochhuth hat hinter dem Rücken aller die Errichtung der Ilse-Holzapfel-Stiftung betrieben. Wir haben davon am 24. April erfahren. Interessanterweise hat Hochhuth am 14. April noch einen Brief an Heiner Müller geschrieben, in dem er sich um die Mitarbeit am BE bewarb, ohne von seinem Vorhaben zu berichten. Das ist natürlich weder illegal noch unmoralisch. Aber das, was er jetzt versucht, nennt man in der Wirtschaftssprache eine „unfreundliche Übernahme“. Es ist einmalig in der deutschen Theatergeschichte, daß hinter dem Rücken einer Theaterleitung versucht wird, eine Dramaturgie zu etablieren, die nicht die der künstlerischen Leitung ist.
Was uns jetzt interessiert, ist, welche juristische Relevanz diese Stiftung hat. Ist sie überhaupt in der Lage, aus ihrem Vermögen heraus den Stiftungszweck zu erfüllen, also einen Schauspielbetrieb zu führen? Der Theaterbetrieb kostet mindestens 23 Millionen Mark jährlich. Selbst wenn sich das Land, wie es Hochhuth sich wünscht, mit 40 Prozent an der Stiftung beteiligt, ist es damit nur an der Kaufsumme beteiligt, nicht aber an den Betriebskosten. Und das Land wird bis Ende 1997 115 Millionen Mark an die Berliner Ensemble GmbH gezahlt haben. Da muß es sich doch fragen: Ist das eine temporäre Erscheinung oder manifestiert sich damit der Wille, das BE zu erhalten – und ich nehme an, das tut es. Insgesamt würde ich sagen: Wir haben nicht die schlechtesten Karten, auch was die Zeit ab 1998 betrifft.
Gibt es für Sie die Möglichkeit, sich ihrerseits an die Alteigentümer zu wenden?
Genau das überlegen wir gerade, wobei wir uns an den wenden, der im Grundbuch eingetragen ist: Herrn Wertheim. Ihm gehört das Theater seit 1938. Welche Ansprüche die Erbengemeinschaft Saloschin hat, kann uns diesbezüglich nicht interessieren. Wobei man sich natürlich fragen muß, warum es einen solchen Anspruch geben kann, wenn es sich 1938 nicht um eine „Arisierung“ gehandelt hat, wie die Finanzverwaltung des Senats betont.
Hat der Senat versagt? Hätte er das BE über die Situation nicht schon lange informieren müssen?
Davon kann keine Rede sein. Wir wußten, daß Herr Wertheim der Eigentümer ist, sind aber davon ausgegangen, daß er sich an die GmbH wendet, wenn er etwas von der GmbH will. Das wäre der korrekte kaufmännische Weg. Von seinem Anspruch, den er vor Dezember 1992 beim Senat eingereicht hat, wußten wir ebensowenig wie von der Erbengemeinschaft Saloschin und deren Ansprüchen.
Herr Hochhuth ist als ausgezeichneter Rechercheur bekannt. Von einer Dienststelle kann nicht erwartet werden, das zu leisten, was Herr Hochhuth in eigener Sache in die Wege geleitet hat. Der Senat hat die Möglichkeit, noch jetzt an die Alteigentümer heranzutreten. Ich kenne die vertraglichen Vereinbarungen zwischen ihnen und Hochhuth nicht. Ich weiß nicht, ob es überhaupt einen Vertrag gibt. Hinzu kommt auch, daß das Haus ja unter Denkmalschutz steht. Und zwar nicht, weil es eine unverwechselbare architektonische Handschrift hat, sondern als Arbeitsstätte von Helene Weigel und Bertolt Brecht. Interview: Petra Kohse
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