Streichen & Blasen

■ Im KITO: „planet BLOW“ featuring Ernst Reijseger stießen ins Horn

Wie gut, daß Radio Bremen den Auftritt mitgeschnitten hat; so werden ein paar mehr ZuhörerInnen als das knappe Dutzend am Dienstagabend in den Genuß dieses schönen Konzerts kommen. Die vier Musiker hätten durchaus mehr Aufmerksamkeit verdient, denn was die Kölner Gruppe „planet BLOW“ samt Gast boten, war allemal hörenswert.

Der erste Set begann zunächst mit einem Duo des Kölner Bläsers Roger Hanschel und Ernst Reijseger am Cello. Die beiden durchstreiften einen stilistischen Irrgarten, in dem Kammermusikalisches auf Experimentelles traf, eingebettet in kurzweilige melodische Spiegelungen. Da fielen versetzte Parallellinien von Altsax und Cello langsam aus dem Rahmen, freitönende Reibungen entwickelten sich zu swingenden Akkordfolgen. Hanschels Altsax wechselte von nervösem Moskito-Surren zu warmen melodischen Bögen. Reijsegers Cello klang mal wie eine Django-Reinhardt-Gitarre, mal trieb er fast klassisch gestrichene Töne in Dissonanzen. Dann wieder entlockte er dem Cello Klänge einer Spielzeugtröte, scheuchte die trillernden Tonreihen des zum Sopranino gewechselten Hanschel vor sich her, die sich in schneidende Höhe schraubten. Die beiden Musiker verstanden sich ausnehmend gut und es schien auch, als hätten sie trotz der geringen ZuhörerInnenzahl ihren Spaß.

Dies galt auch für das folgende Trio „planet BLOW“, zu dem neben Hanschel Lu Hübsch an der Tuba und Jörn Schipper am Schlagzeug gehören. Die Eigenkompositionen überzeugten durch angenehm unakademisch aufgebautes Material, das sich jenseits von Traditionalismus und Fusion hielt und dennoch von treibenden Rhythmen und kompaktem Sound geprägt war. Dafür sorgte nicht nur die interessante Spannung zwischen den Instrumentenlagen der Bläser, sondern auch die Linienführung, die Hübsch's zumeist tiefgrummelndes Blech nicht auf rhythmische Baßfiguren begrenzte. Im Gegenteil Tuba und Sax wechselten sich in der Leadfunktion ab oder fanden sich zu volltönenden unisono-Linien.

Der zweite Set begann mit zwei kurzen Solo-Improvisationen von Reijseger. Der Cellist bewies einmal mehr seine grandiose Fingerfertigkeit, die nie in kalte Technik verfällt, sondern sich mit Spielwitz und musikalischem Ideenreichtum paart. Zunächst klang sein präpariertes Cello wie ein afrikanisches Daumenpiano, dann entlockte er dem gestrichenen Instrument helles Vogelgezwitscher. In unglaublicher Geschwindigkeit wechselt er die Tonfärbungen, fügt kurze Irritationsmomente in die Melodien ein.

Anschließend fanden sich dann alle vier Musiker auf der Bühne. Reijseger verstärkte den spannungsreich-kompakten Sound von „planet BLOW“ mit „cellistischen“ Akzenten, mal als Funkbaß, mal mit fast stimmlichen Klängen. Hübsch blies tieftönende Tonkaskaden, die vibrierend den Raum füllten, entlockte seiner verfremdten Tuba kurze Didgeridoo-Klänge, während Hanschel flirrende Tonreihen in den Saal stieß, sich wechselweise mit Cello oder Tuba zu melodischen Dialogen verband. Zu alldem sorgte Schipper für kraftvolle Grooves, setzte mit unregelmäßigen Takten differenzierte Akzente.

Ein großartiges Konzert, für dessen einzigen Mißklang ein betrunkener oder bekiffter Althippie sorgte, der seinen Enthusiasmus nicht unter Kontrolle hatte und mit seinem überdehnten Applaus nervte.

Arnaud