Mehr schöner Schein als modisches Sein

■ Fotoausstellung im Presseclub zeigt Modefotos aus den 30er Jahren

Der Hut sieht aus wie eine umgedrehte Kohlenschippe. Weit ragt der Schirm über den Gesichtserker hinaus und trotzt so dem Regen. Die Kreation ist sittsam mit dünnen Bändern unter dem Kinn geknotet. Bei aller Häßlichkeit hätte sie ihren Zweck sicher gut erfüllt – wäre sie denn jemals produziert worden.

Zu sehen ist das gute Stück jetzt in einer Ausstellung im Bremer Presse-Club, die mit circa 300 Werkstatt- und Modefotos den schönen Schein der Mode zur Nazizeit dokumentiert und gleichzeitig die Geschichte des Modeamtes in Frankfurt erzählt. Und die ist es wert, dargestellt zu werden, denn immerhin hat es das Amt geschafft, daß nicht eine ihrer zahlreichen Kreationen jemals in die Kaufhäuser kam und das trotz zehnjährigen Bestehens.

„Das Modeamt war zum einen eine Behörde, die modeschöpferisch tätig sein sollte und zum anderen war es eine Schule, an der 120 Studentinnen ausgebildet wurden“, erzählt Volker-Joachim Stern, der diese Ausstellung gemeinsam mit seiner Frau und Irmtraud Addicks-Schaefer, einer Kostümbildnerin, zusammengestellt hat.

Das Amt wurde 1933 vom Oberbürgermeister Krebs, einem strammen Nazi, als städtische Behörde gegründet. Großes Ziel war es, Paris als Metropole der Mode abzulösen: Mit dem deutschem Geschmack sollten die Weltmärkte erobert werden. Wobei die Nazis nicht definiert hatten, wie deutsche Mode auszusehen hatte. Daß es sich um deutsche Kleidung handelte, war am Schnitt kaum zu erkennen, eher schon an der Materialwahl. Die Schneiderinnen sollten nur noch einheimisches Material verwenden, um die deutsche Autarkie zu betonen. So entstanden die Jäckchen und Gürtel aus Fischleder und die Sandalen mit Plexiglasabsätzen, die bei der Produktion der Pilotenkanzeln abfielen.

Bevor man sich an die Eroberung der Pariser Modehäuser wagte, versuchte man in Frankfurt erst einmal, preiswerte Mode für Jedefrau zu entwickeln – allerdings mit der Maxime, den Unterschied zwischen Alltagsmode und Haute Couture aufzuheben. Diesen politischen Anspruch hat man in Frankfurt wohl nicht so ernst genommen, denn die Fotos zeigen, mit einigen Ausnahmen, durchweg sehr elegante Kreationen, die eher an Hollywood-Diven erinnern als an eine schlichte deutsche Hausfrau.

Irmtraud Addicks-Schaefer, die die Ausstellung als Kostümbildnerin betreut hat, sieht zwar bei den Schnitten Anknüpfungen an deutsche Trachten, doch insgesamt kommt sie zu dem Urteil, daß die Mode klassisch und elegant war. „Viele Modelle wären heute noch tragbar. Durch die schlichten Schnitte sind sie experimentell bespiel- und wandelbar.“ Besonders die Arbeitskleidung hat es ihr angetan. „Mit diesem Overall würde man heute durchaus ins Theater gehen und die Gummischürze mit dem Doppelverschluß könnte von Gaultier sein.“

Doch um diese Gummischürze genauer betrachten zu können muß man im Bremer Presse-Club erstmal auf Suche gehen, denn die Ausstellung erstreckt sich über drei Stockwerke, das Treppenhaus eingeschlossen. „Es standen uns leider keine Mittel zur Verfügung, um Räume anzumieten, so waren wir froh, überhaupt ausstellen zu können“, erklärt Luise Stern die Notlösung.

P.S. Die „Gaultier-Gummischürze“ hängt im Untergeschoß, direkt neben den Toiletten.

Gudrun Kaatz

Bis 26. Mai im Bremer Presse-Club, Schnoor 27/28, Mo-Fr 11.30-15 Uhr sowie ab 18 Uhr