Hakenkreuze „mahnen“

■ Oldenburger Gemeinderat: EK auf Grabsteinen sollen bleiben

Die Hakenkreuze auf den Kriegsgräbern des Osternbuger Friedhofes in Oldenburg bleiben erhalten (die taz berichtete). Am Dienstag beschloß der Gemeindekirchenrat (GKR) mit Zwei-Drittel-Mehrheit, die 14 Grabsteine, in die 1944 ein EK samt Hakenkreuz eingemeißelt worden war, nicht zu verändern. Den Grabsteinen soll aber eine kommentierende Tafel und ein „Kunstobjekt“ an die Seite gestellt werden, beschloß die Gemeinde.

Diese Entscheidung hatte sich bereits bei einer Diskussionsveranstaltung angedeutet, bei der die Mehrheit des Publikums für den Erhalt der Hakenkreuze votiert hatte. Pastor Bonenkamp, Vorsitzender des Oldeburger GKR, plädierte für deren Erhalt, als „Erinnerung an den Irrsinn, der unter diesem Zeichen geschehen ist.“ Wolf Hertlein, der als Gemeindeglied auf die Zeichen gestoßen war und sie öffentlich gemacht hatte, widersprach dieser Sichtweise energisch: Schließlich gebe es Menschen, für die das Hakenkreuz bis zum heutigen Tage das Symbol einer todbringenden Macht sei. Die Überlebenden des Holocaust und deren Nachfahren erführen eine neuerliche Verletzung durch das Zeichen. Im übrigen, setzte er nach, brauchen wir nicht die Hakenkreuze als Erinnerungshilfe, „die heutige Ausländerfeindlichkeit ist Zeichen genug, daß wir aus der Vergangenheit nicht genug gelernt haben.“

„Für uns ist das Hakenkreuz ein Mörderzeichen“, verdeutlichte Christel Schwarz, Geschäftsführer des „Freundeskreis Sinti und Roma Oldenburg“, der dem Holocaust entkam. Er erinnerte an die 400 Juden, die am 11. November 1938 von Oldenburg aus in das KZ Sachsenhausen deportiert wurden. 72 von ihnen wurden von den Nazis ermordet. „Ich bitte um die weise Entscheidung, die Hakenkreuze zu entfernen“, sagte Schwarz.

In einem kurzen aber scharfen Beitrag lehnte Sara-Ruth Schumann, Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Oldenburg, jegliche Verantwortung für die Entscheidung über die Hakenkreuze ab. „Eine Jüdin zu fragen, was sie von den Hakenkreuzen auf den Grabsteinen hält, ist eine Frage, die nicht gestellt werden dürfte“.

Während das Podium überwiegend die Meinung vertrat, die Hakenkreuze seien zu entfernen, bot das Publikum ein ganz anderes Bild. Mit Vehemenz wurde dort für den Erhalt der Hakenkreuze auf den Grabsteinen gestritten. Von „Grabschändung“ war die Rede, von der „Zerstörung eines Mahnmals“. Ein älterer Mann aus Oberschlesien appellierte an vermeintliche Toleranz: „Wer die Hakenkreuze sieht, gehe daran vorbei. Ich störe mich ja auch nicht an einem jüdischen Grabstein.“ Brandt bezeichnete die Äußerung als schlichtweg “geschmacklos“.

Eine ältere Dame entgegnete mutig, es gebe bereits genügend Hakenkreuze auf Friedhöfen, „besonders auf jüdischen“. Als Schmierereien von Rechten nämlich, die allgemein zu großer Empörung führen und zu Recht sofort entfernt werden. „Warum also sollen diese Hakenkreuze bleiben?“ Auch Pastor Lück warnte: „Wenn sich nichts ändert, könnte es heißen: Die Juden mußten weg, die Sinti, die Behinderten. Aber die Hakenkreuze müssen bleiben.“

Es nützte nichts. Die selbsternannten Vergangenheitsbewältiger im Publikum behaupteten stets aufs neue die Wichtigkeit der Hakenkreuze für die Erinnerungsarbeit. Brandt: „Diese Steine sind kein Mahnmal, sie sind auch nicht als solches konzipiert. Was mich wundert, ist, wie wenig Vertrauen die Christen eigentlich in das Kreuz haben, daß sie das Hakenkreuz noch dazu brauchen.“dah

Die evangelisch-lutherische Kirche hat entschieden. Ihr Beschluß wird Bischof Wilhelm Sievers freuen: Er bleibt nicht nur dem „Judengang“ fern, mit dem alljährlich in Oldenburg der Deportation jüdischer Menschen gedacht wird. Er verhinderte 1989 auch, daß der ökumenische Gottesdienst, der im Vorjahr zu einer eindrucksvollen antifaschistischen Aktion gearten war, in der Lambertikirche stattfand. Stattdessen spielte dort am 9. November das Heeresmusikcorps 11 unter anderem Stücke des Hitlerschen Reichskammermusikpräsidenten Richard Strauss. Dora Hartmann