Kommentar: Demokratie eingespart
■ Unentschiedenheit bei knappen Kassen
Nun haben wir endlich die letzte Umfrage vor der Wahl auf dem Schreibtisch, und was lernt uns das? Wenig. Wenn schon der Forsa-Chef ganz vorsichtig von einem Stimmungsbild spricht, was seine RechenkünstlerInnen aus den BremerInnen herausgepult haben, dann spricht das Bände.
Kein Wunder: 40 Prozent der Befragten wissen noch nicht, wo sie am 14. Mai ihr Kreuzchen malen sollen. Und das ist genau der interessanteste Aspekt dieses Stimmungsbildes. Was heißt es denn, wenn so viele so unentschieden sind? Fehlt es den Parteien an Unterscheidbarkeit, an der sich die WählerInnen orientieren können?
Von weit oben betrachtet bietet sich in der Tat das Bild einer planierten politischen Landschaft. Jedermann und jederfrau weiß, wie eng die finanziellen Spielräume in der Stadt sind. Es gibt keine Partei, die guten Gewissens anderes versprechen könnte als Blut, Schweiß und Tränen. Wo bleibt da die Wahl bei der Wahl, das scheinen sich fast die Hälfte der BremerInnen zu fragen. Gewählt wird nach Interessenlagen, Interessen werden positiv definiert, doch für positive Maßnahmen fehlt das Geld. Das Versprechen, den Schnitt ins Bein nicht so tief anzusetzen wie den in den Arm, motiviert offensichtlich nicht. Sollte dieser Trend zur Unentschiedenheit anhalten, dann wäre das ein ernstzunehmendes Alarmsignal: Bremen ist dabei, die Demokratie einzusparen. Jochen Grabler
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