Türkisches Wildwest in Oldenburg?

■ Hat Botschafts-Fahrer auf eierwerfende Demonstranten angelegt? / Polizei dementiert

„...und dann ist plötzlich der Fahrer des türkischen Botschafters aus dem Auto gesprungen, hat seinen Revolver gezogen, entsichert und ihn mit beiden Händen auf die Demonstranten gerichtet.“ Mehrere Augenzeugen berichten übereinstimmend von dieser Szene, die sich am Dienstag gegen 15.15 Uhr mitten in Oldenburg zugetragen haben soll. Die Oldenburger Polizei dagegen bestreitet eine solche Konfrontation nach Wildwest-Manier energisch.

Ansonsten besteht weitgehende Einigkeit über den Verlauf des Dienstags zwischen allen Beobachtern. Am Mittag war der türkische Botschafter Onur Öymen im Auto aus Bonn in Oldenburg eingetroffen und hatte sich zunächst mit seinem Gastgeber, dem Oldenburger CDU-Bundestagsabgeordneten Thomas Kossendey, dem Oldenburger Oberbürgermeister Holzapfel und Stadtdirektor Wandscher zu einer Besprechung zurückgezogen. Die fand allerdings nicht wie ursprünglich geplant im Rathaus, sondern bei einem Essen im Feinkostladen „Köter“ statt.

Gegen 14 Uhr formierte sich dann eine Demonstration von 40 (Polizei-) bzw. 100 (Veranstalterangabe) Personen „gegen den Völkermord in türkische Kurdistan“ vor dem Geschäft und folgte dem Botschafter und seinem Troß wenig später in die Lindenstraße zum Haus des Ausländerbeirats, in dem Öymen sich zu einer Beratung mit dem Oldenburger Ausländerbeauftragten, der Sozialdezernentin und einigen Ausländergruppen-Vertretern zusammensetzte. Als der Botschafter mit zwei Leibwächtern gegen 15.15 Uhr das Haus wieder verließ, schwollen die Sprechchöre („Mörder, Mörder...“) an, und aus der Demonstration heraus wurde mit Eiern und Tomaten auf den Botschafter geworfen. Getroffen wurde jedoch nur einer der türkischen Bodyguards, die Öymen schnell ins schützende Auto drückten (vgl. Foto).

Doch was genau zur gleichen Zeit auf der anderen Seite des Wagens geschah, bleibt umstritten. „Ich habe genau gesehen, wie der Fahrer aus dem Wagen sprang, seine Waffe entsicherte und auf uns richtete“, sagt taz-Fotograf Kay Michalak, der aus Richtung der Demonstranten die Szene fotografieren wollte. Doch dazu kam er nicht mehr: „Die Polizei hat uns sofort abgedrängt, und das Auto brauste davon.“ Polizeisprecher Heinze dagegen, selber direkt vor Ort dabei, versichert steif und fest: „Ein Revolver ist definitiv nicht gezogen worden.“ Das „Gerücht“ sei ihm zwar bekannt, es sei aber „definitiv falsch“.

Unumstritten ist jedoch wiederum, daß der Fahrer des türkischen Botschafters, sollte er denn tatsächlich mit der Waffe gezielt haben, von der deutschen Justiz dafür nicht belangt werden kann. Als Botschaftsangehöriger steht er unter diplomatischem Schutz und unterliegt auch nicht der deutschen Waffenscheinpflicht, versichern Staatsrechtler. Zwar hätte ihn die Oldenburger Polizei daran hindern dürfen, tatsächlich zu schießen, anzeigen könnte sie ihn jedoch nicht. Einzige Möglichkeit wäre eine Bitte um Abberufung des Mannes auf diplomatischem Weg in Ankara.

Ase