Rebers – erfolgreich ohne Zutun

■ Spitzenkandidaten-Dikussion brachte BremerInnen in Fahrt

„Nein, hier können Sie nicht sitzen! Die Fluchtwege müssen frei bleiben.“ Der freundliche Polizist im Marriott-Hotel konnte nicht ahnen, wie recht ihm der Abend geben sollte, den er zu bewachen hatte. Der Weser-Kurier hatte zu einem „Wahlforum“ geladen, hunderte BremerInnen waren gekommen, und von Anfang an herrschte eine Stimmung, bei der die sensiblere BeobachterIn gerne die Fluchtwege hätte benutzen mögen. Die Bremer NormalbürgerIn grölte und johlte, hohnlachte, pfiff und kreischte sich in eine Polithysterie, in der eines am allerschwersten zu fallen schien: Zuhören, ob nicht doch das eine oder andere Argument zu finden wäre.

Schon als die Matadores die Bühne betraten, da waren die Fronten im Saal klar: Spärlicher bis unterkühlter Beifall für Klaus Wedemeier, Bravorufe und Applaus für Ulrich Nölle, wenige Klatscher, aber dafür umso mehr Buhs und Pfiffe gegen Ralf Fücks, magerer Beifall für Claus Jäger und ein Jubelorkan für Friedrich Rebers.

Eindeutiger Verlierer des Abends war Bürgermeister Klaus Wedemeier. Ihm schlug von Anfang an eine Welle der Ablehnung entgegen, und zu kaum einem Zeitpunkt des Abends gelang es ihm, einen Kontakt zum Publikum herzustellen. Atemlos ratterte er seine Argumente herunter, verstieg sich in Verwaltungschinesisch, ließ eine um die andere Chance, sozialdemokratisches Profil zu zeigen, an sich vorüberziehen. Dem Grünen Fücks blieb es vorbehalten, Chancengleichheit als Errungenschaft des Bildungssystems zu verteidigen. Das ursozialdemokratische Argument war dem Sozialdemokraten schlichtweg entfallen.

Ganz anders der Herausforderer: Ulrich Nölle zeigte sich in glänzender Form. Auch wenn sich die Antworten meist auf Schlagworte reduzierten, der Kandidat strahlte vor allem eines aus: Optimismus, Optimismus, Optimismus. Und dem wollten die BremerInnen zu gerne folgen. Und als Nölle, unterstützt von Rebers und Jäger, die These vertrat, der Rückgang der Kriminalitätsrate sei auf den Rückgang der Asylbewerberzahlen zurückzuführen, und Fücks ihm darauf vorwarf, das sei „an der Grenze der Volksverhetzung“ gewesen, da stand das Volk hart wie Kruppstahl hinter dem Christdemokraten und seinen beiden Unterstützern.

Noch lieber als Nölle aber hatten die BremerInnen Friedrich Rebers. Auch wenn da ein politisches Phantom am Pult stand, das auf nahezu keine Sachfrage eine Sachantwort zu geben wußte, dem Publikum war das schnurz, Rebers flogen die Herzen zu. Nur einmal zog er den Unmut auf sich, da ging es um die Koalitionsfrage. „Das ist eine schlimme Frage“, sagte Rebers, um dann minutenlang, zum wachsenden Ärger des Publikums, in seiner Zettelwirtschaft herumzukruschteln: „Grün/Rot kommt für uns nicht in Frage.“ Das hatten sich alle im Saal schon irgendwie gedacht, aber dann: „Eine Koalition mit der SPD kommt für uns nicht in Frage.“ Da gabs kein Halten mehr. Würde Bremen hinter den Pyrenäen liegen, sie hätten El Rebers auf Schultern aus dem Saal getragen, und der hätte mit dem Ohr von Wedemeier in die Menge gewunken.

Und weil das so schön war, bekannte sich Claus Jäger auch gleich zur schwarz-gelb-grauen Koalition. Ohnehin hatte der Wirtschaftssenator im Laufe des Abends durchaus Punkte machen können. Eloquent wie eh und je präsentierte er sich in guter Form, wagte auch mal einen Angriff, vorzugsweise auf den Grünen, und erntete – keine Liebe, aber – warmen Beifall.

Kein Publikum für die Grünen, daran gemessen schlug sich Ralf Fücks wacker – selbst bei der Top-Reizfrage „Müll“, vom WK-Chefredakteur Volker Weise prompt so eingeführt, als müsse gleich die Lynchjustiz wieder eingeführt werden. „Nicht populär, aber bisher sehr erfolgreich“, kommentierte der Grüne seine Müllpolitik, um dann den BremerInnen vorzurechnen, wie eindrucksvoll sie das Müllaufkommen in den letzten Jahren reduziert haben. Das heilte den Verlust der kleinen Eimerchen nicht, aber es linderte. Fücks gewann keinen Blumentopf, aber dafür flog auch keiner. Hat er nochmal Glück gehabt. J.G.