■ Urdrüs wahre Kolumne: Maikäfer, flieg!
Wer jemals das Fernsehmagazin Aktenzeichen XY gesehen hat, der weiß, daß der österreichische Beitrag zur Kriminalität in den mehr oder minder deutschsprachigen Ländern Europas überwiegend in jene Delikten besteht, die sich auf Wienerisch so besonders liebenswert anhören: Heiratsschwindel, Scheckbetrug, Hochstapelei und immer wieder das Tragen von Falschnamen. Jetzt aber treiben es die Schluchtenscheißer nun gar zu arg, versuchen sie doch, ihre nationalen Laster jetzt über eine spezifische Berufsausbildung europaweit zu etablieren: Der Tourismusverband Gröbming bietet in der Steiermark einen Ferienkurs „für Neo-Charmeure, alte Hasen, Neu- und Quereinstieger“ unter dem Motto KÜSS DIE HAND GNÄ FRAU an. Rotzfrech heißt es dazu „Flirten wie ein Profi kostet 421 DM“. Wie ein Profi! Saubande, elendige...
In einer hiesigen Kleinanzeigen-Zeitung finden wir passend zum triebstarken Monat Mai dieses Angebot: “Deutschlandpremiere! Wir fanden es dringend an der Zeit und haben Deutschlands erste Partnervermittlung für Arbeitslose und sonstige Außenseiter der Gesellschaft gegründet. Übrigens vermitteln wir auch Nebenverdienste und vieles mehr. Info gegen frank. Rückumschlag bei MK-Exklusiv-Vermittlung“, wohnhaft im Detmolder Postfach 2244. Viel Erfolg, ihr Aussenseiter dieser Erde!
Beim Gottesdienst zum Abschluß des Motorrad-Corso von Oldenbutg nach Bremen ließ DER HERR seine Stimme durch seinen gutkatholischen Easyrider Thomas Linsen in der Findorffer Martin Luther-Kirche nach Information des Evangelischen Pressedienstes so vernehmen: “Hört nicht auf Werbung und Politiker, die angeblich genau wissen, was für die Menschen gut ist. Man muß sich gar nichts Neues einreden lassen. „Was gut ist, ist längst gesagt und steht in der Bibel“. Und steht nicht in der Schrift „Haltet euch fern vom Treiben der Sparkassendirektoren und Fertighausverkäufer. Sie zu wählen ist dem Herrn ein Greuel“?
Bleiben wir in der christlichen Motorradszene, die zum Auftakt der Saison ihre schwarze Ledermesse auch im Braunschweiger Dom zelebrierte und dort mit dem Aufkleber „Fahre nicht schneller als dein Schutzengel fliegen kann.“ für Raserei mit gebremsten Schaum warb. Wir aber halten dagegen und meinen: Mehr Vertrauen in den Herrn über Leben und Tod. Maikäfer flieg. Und nicht zu knapp!
Bislang haben wir Milde, allzuviel Milde walten lassen gegen denRuhrpott-Parvenü Nöllikowski, der erst in Bremen das Essen mit Messer und Gabel lernte und erfuhr, daß man mit milder Seife wirkungsvoll gegen peinliche Schwitzflecken antreten kann.
Wenn der Kandidat Ulrich Nölle aber nunmehr mit den letzten deutschen Ordensrittern von der Ostpreußischen Landsmannschaft gemeine gemeinsame Sache macht und den russischen Politikern klarmachen will, daß nur die Tüchtigkeit neudeutscher SS-Leute die Region Kalinigrad aus der Verwahrlosung retten könne, dann wird es Zeit, diesen Meister des groben Unfugs zurück in den Pütt zu schicken und ganz ohne Kohlepfennig im tiefsten Flöz zum Abschreiben der gesammelten Werke des Kaliningrader Bürgers Immanuel Kant zu zwingen, bei Wasser, Brot und Bergmannslampe. Dieser letzte Satz, weiß Gott, ist lang, sehr lang. Aber unsere Langmut ist am Ende!
Am Sonntag, bittschön lieber Leser, am Sonntag, da ist Muttertag. Und so Du eine Mutter hast/ die für dich bügelt/ stopft und kocht ohn Rast die ganzen Jahre./ So bringe Blumen ihr, die sie so mag/ noch heute und nicht später an der Bahre! - Noch neun Tage bis zur Bremer-Wahl 95. Was würde Deine Mutter Dir empfehlen, die alles gut und besser für Dich weiß und meint?!
Ulrich Reineking-Drügemöller
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