Masken und ihre Jugend

■ Pago & Koch setzen in der Schauburg auf „Das Hoffnungslos“

„Hallöchen! Da bin ich. Willkommen liebes Publikum! Und jetzt bitte, einen frenetischen Applaus für unseren Gast des Abends: Frau Trude Backhaus.“ Wer könnte da widerstehen. Der Entertainer mit dem jubelnd erhobenen Armen läßt eh keine andere Wahl. Er grinst und strahlt mit diesem unverwüstlichen Kukidentlächeln, das beim Showmaster zur festgefrorenen Berufsmaske gehört - aber hier ist dieses Grinsen für die Ewigkeit. Denn unter der Gottschalk-Perücke sitzt tatsächlich eine Maske.

Maskiertes Kabarett nennen Pago & Koch denn auch „Das Hoffnungslos“, das gerade in der Schauburg zu sehen ist. Ein neu entwickeltes Genre, in dem eine ungewöhnliche Kreuzung der Theaterformen gezüchtet wird. Das stille Maskenspiel verbindet sich mit dem wortwitzigen Kabarett. Manchmal gelingt das „Pago & Koch“, dann ist das Ergebnis atemberaubend schön.

Das „Fabula Rasa“-Programm der Gruppe lief in der Bremer Szene drei Jahre lang mit großem Erfolg und war ein staunenswerter Glücksfall. Die wunderschönen Kunstwesen mit den riesigen Köpfen hatten genügend Raum, um zu wirken. Nur mit sparsamen pantomimischen Gesten wurden die Figuren lebendig, die sich hinter den grotesken Masken verbargen und deren Geschichte sich so fast von selbst erzählte.

Bei der neuen Inszenierung hat man hoch gepokert - und auf eine andere Karte gesetzt: „Das Hoffnungslos“. Jetzt soll neben Kabarett und Maskenspiel vor allen Dingen noch eine biographische Geschichte erzählt werden. Da wird kein Klischee der deutschtümelnden Identitätssuche ausgelassen, und die Dialoge wollen vor lauter selbstverliebtem Sprachwitz kein Ende nehmen.

Walter Koch, Liedermacher Pago Balke und Saxaphonist Peter Dahm berichten vom Retortenbaby Klaus Backhaus. Erst wird er live in der Show „Die letzte Rührung“ als ein superschnell entwickeltes Baby geboren. Dann müssen wir bald diesen Klaus Backhaus mit der grotesken Schweinskopfmaske durch die immergleiche Jugend in Spießershausen begleiten: Mutter Trude im Handarbeitswahn umstrickt in rosaroter Wolle alles, was ihr unter die Finger kommt. Nach der Klopapierrolle bekommen gleich noch das Autonummernschild und die Trompete des Sohnes einen rosa Umschlag. Eine besonders nützliche Idee. Weniger originell die restlichen Klischees aus der Provinz. Da dürfen im deutschen Vorgarten weder reinrassige Schäferhunde noch faschistoide Polizisten fehlen. Jeder zweite Jungautor meint so, seine persönliche Vergangenheit bewältigen zu müssen. Daß diese Theaterszenen ungeheuer wortlastig sind, macht sie zudem noch besonders ungeeignet für die Akteure, die unter den schwergewichtigen Masken nicht unbedingt befreit sprechen.

Doch nach der Pause wendet sich das Blatt. Wir dürfen mit dem spätpubertierenden Klaus und seiner Gaby nach Indien reisen, tanzen zum eingedeutschten Hair-Musical und treffen endlich den Guru als goldenen Buddha, der auch noch die Sitar spielt. Eine gelungene Szene. Alle drei Figuren sind optimal inszeniert. Das deutsche Paar, bereits verfremdet durch die übergroßen Kunstköpfe, ist endlich nicht länger in endlosen Dialogen gefangen, sondern befreit durch die pantomimischen Bewegungen, mit denen die Puppen nach der Musik tanzen. Und als nahezu stumme Maske der goldene Buddha, der die Sitar spielt. Hier wird die Maske zu einem Fixpunkt all dessen, was den Indienmythos der 70er ausmachte. Und das maskierte Kabarett zieht sich an den eigenen Haaren aus dem selbstgemachten Schlamassel, wenn es sich wirklich mit der eigenen Jugend beschäftigt und nicht die deutschen Klischees nachbetet.

Susanne Raubold

Weitere Aufführungen Fr. und Sa. um 23 Uhr in der Schauburg