„Nichts gegen Spieltrieb“

■ Gregor Gysi und Ralf Fücks im Schaukampf an der Uni / Szenen-Applaus für den zugereisten PDS-Star, keine Freude an grüner Politik-Analytik

Gut 300 StudentInnen wurde gestern Nachmittag in der Uni beim Podiums-Schaukampf um ihre Stimmen an der Wahlurne schönstes Ausdruckstheater geboten. Je breiter Gregor Gysi ins Grinsen kam, desto heftiger schlug Ralf Fücks die Hände vor dem Gesicht zusammen. Dem Publikum gefiel der lässige Sozialist deutlich besser als der sorgenzerfurchte Ökologe, und wäre nicht die Abgeordnete Karoline Linnert gewesen, hätte die Veranstaltung wohl tatsächlich manches Kreuz von den Grünen zur PDS umgelenkt.

Denn zwischen Gysi und Fücks ging alles nach dem gleichen Muster. Mahnt Fücks: „Man darf sich nicht an der eigenen Rhetorik überheben. Alles was wir können, ist fatale Entwicklungen zu verlangsamen oder zu verhindern und das eine oder andere durchzusetzen.“ Entgegnet Gysi fröhlich: „Das Argument gefällt mir nicht: Wer die Grünen wählt, ist ernsthaft, wer die PDS wählt, spielt. Ich habe nichts gegen Spieltrieb.“ Fücks schlägt die Hände vor dem Kopf zusammen, Gysi grinst, Applaus aus dem Publikum.

Analysiert Fücks trocken: „Durch die PDS wird keine einzige Frage neu auf die politische Tagesordnung gesetzt. Die PDS ist ein Wahlverein und hat hier in Bremen keine andere strategische Absicht, als ihre Westerweiterung durchzusetzen.“ Gibt Gysi zurück: „Zugegeben, außerparlamentarische Bewegungen sind wichtiger als parlamentarische. Aber wir können einen eigenständigen Gedanken ins Parlament einbringen, der den Grünen inzwischen verloren gegangen ist: den antikapitalistischen.“ Fücks schlägt die Hände vor den Kopf, Gysi freut sich, das Publikum klatscht.

Spekuliert Gysi munter los: „In Bremen stand der Senat in den letzten vier Jahren immer von rechts unter Druck. Es wäre doch toll, wenn es endlich mal Druck von links geben würde. Das ist doch gut für Euch Grüne, dann habt Ihr fast die Möglichkeit, in der Mitte zu stehen.“ Muffelt Fücks zurück: „Wir brauchen die PDS nicht als Sozialpädagogen der Grünen. Auch unser eigenes Programm ist voll von radikalen Forderungen. Aber damit bewegt man noch nichts. Wir können uns doch nicht auf Wunschpolitik zurückziehen.“ Da will partout kein Applaus aufkommen.

Und auch in einer anderen Frage kommt Fücks' Realismus nicht an: „Wer glaubt, in Bremen wäre das Magdeburger Modell der Tolerierung einer rot-grünen Regierung durch die PDS möglich, der träumt und ist unredlich. Das Ergebnis wäre die Große Koalition.“ Schweigen im studentischen Auditorium, aber freundliches Gelächter, als Gysi entgegnet: „Ich bin Anhänger von Minderheitsregierungen. Ein bißchen Instabilität können wir in Deutschland gut gebrauchen. Aber wir können die Tolerierung natürlich nur anbieten. Wenn sie dann nicht angenommen wird, ist das doch nicht unsere Schuld.“

Zuviel kluge politische Taktik war gestern nachmittag nicht gewünscht. Der zornigen Ausbruch der Grünen Karoline Linnert allerdings erreichte die studentischen Herzen: „Wir haben wirklich genug Druck, und zwar von allen Seiten. Wir machen doch Politik aus Überzeugung, und nicht weil wir immer mehr Prügel brauchen. Ob wir mit der SPD wirklich Reformen hinkriegen, wird man mal sehen. Aber hier in Bremen ist das ganze Projekt meiner Generation in Gefahr. Kommt die Große Koalition, würde zum Beispiel die Projekteförderung, die wir erstmals in den Haushalt bekommen haben, plattgemacht.“ Ase