Durchs Dröhnland: Ehrfurcht! Verneigen! Aber los jetzt!
■ Die besten und schlechtesten, die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der kommenden Woche
Woll'n wer mal gleich anfangen mit einem Zungenschnalzer, denn Coalminer's Beat haben mich wirklich auf dem falschen Fuß erwischt. Wer erwartet schon, daß aus Stuttgart irgendwas nicht Langweiliges kommt außer einer neuen VfB-Lachnummer (Thomas Berthold, Ihr Einsatz, bitte!). Und wer hatte tatsächlich zu hoffen gewagt, daß irgend jemand noch der fiddeligen britischen Fahr-in-die-Grube-Volksmusik etwas halbwegs Neues abgewinnen könnte? Die sieben schaffen das, lassen die Geige jauchzen und gleichzeitig die E-Gitarre bratzen, lassen liebliche Melancholie erklingen und tun im nächsten Moment ganz böse. Authentizitätsprobleme gibt's auch keine, weil es nicht authentisch sein will. Gelungene Adaption – und da gelingt ihnen viel. Und man muß sich langsam fragen, ob mit denen, Fiddler's Green aus Nürnberg und den hiesigen Inchtabokatables, um nur einige zu nennen, die lustigeren Briten nicht längst in der deutschen Provinz zu Hause sind.
Heute, 22 Uhr, Knaack, Greifswalder Straße 224, Prenzl. Berg
Um ehrlich zu sein, kann ich die Songs von Louis Tillett nicht unterscheiden, aber das ist mir ganz egal. Man rollt so dahin auf der rechten Spur, und selbst in einem Opel Corsa mit durchgeknallten Stoßdämpfern wird die Straße zur wattierten Erholung. Die Wiederholungstaste ist gerade gut genug für dieses ewige, langatmige, ereignislose, scheißlangweilige, aber immer wieder wunderschöne Zeugs, das der zwar Musik nennt, das sich aber eher anhört wie schülertriezende Fingerübungen auf dem Klavier. Und er singt so verloren und verzweifelt, daß man ihn dauernd knuddeln möchte.
Morgen, 21 Uhr, Huxley's Junior, Hasenheide 108-114, Neukölln
Liegt's nur daran, daß auch Trout wieder ein Jahr älter geworden sind? Denn wohin ist der böse, böse, bösewichtige Lärm? Der ist ja gar recht freundlich geworden. Man findet Melodien, in echt. Das ist schön, auch weil die Kanten und Ecken immer noch da sind und Überraschungseffekte sichern. Das Berliner Trio, das früher einmal ein Quartett war, läßt sich nun tatsächlich mit gutem Gewissen empfehlen. Auch wenn der immer wieder gehörte Vergleich, den sie selbst nun ganz und gar nicht mehr hören wollen, auch jetzt immer noch paßt: denn die verdienten Noise- Päpste Sonic Youth höchstselbst haben zuletzt auch Weicheres ausgegraben.
Morgen, 22 Uhr, Schoko-Laden Mitte, Ackerstraße 169
Die Zeit hätte nicht besser gewählt sein können: Mitten hinein in die Renaissance des Krautrock tun sich auch Faust wieder zusammen, um noch einmal ihren mit den elektronischen Beschränkungen spielenden Industrial-Rock aufzuführen, fast zwanzig Jahre nach der Auflösung. Allerdings etwas spät, um die Geschichte noch geradezurücken und auch dem Publikum hierzulande klar zu machen, daß Generationen von Müllwerkern sich diese Band zum Vorbild nahmen. Frag Test Department oder Throbbing Gristle, die Neubauten wissen sowieso Bescheid. Und dann geh hin, sieh den Fernseher explodieren und du wirst wissen, was Klangerzeugung alles sein kann. Aber erwarte nicht allzuviel Musik, eher ein dumpfes Grollen, in dem vieles von dem versteckt ist, was seit mehr als einem Jahrzehnt die Verkaufslisten und Diskotheken unsicher macht. Und dann sieh dir die Geräte an, mit denen dieses Bollern und Rumpeln erzeugt wird, vergleiche sie mit einem Mikrochip, den du verwegen auf dem Nagel deines kleinen Fingers balancierst – und dann verneige dich ehrfürchtig!
Am 7. 5. um 21 Uhr in der Volksbühne, Rosa-Luxemburg-Platz, Mitte
Von den Nighttrains bekommst du die Soul-Schaffe, die du dir erhoffst, auch wenn das inzwischen Acid Jazz heißt. Ein hübsch pluckernder Groove, natürlich immer flott, aber nicht zu schnell, so daß die Hüften von allein los wollen, um den Kreis immer wieder aufs neue zu erfinden. Hysterische und leidenschaftliche mehrstimmige Gesänge, synkopierte Basslinien und querflötende Flöten. Orgel und Bläser sowieso, das ist klar. Das ist, was du willst, und das ist, was du kriegst.
Am 7. 5., 23 Uhr, Boogaloo, Brückenstraße 1, Mitte
Meist zu schön, um wahr zu sein, klingen Bettie Serveert. Der Gitarrenrock dieses niederländischen Quartetts ist trotz seltener Noise-Anfälle fast völlig gereinigt von allem Anstößigen, Verqueren oder Kantigen, was Musik gerne interessant macht. So schläft man beruhigt und zufrieden ein.
Am 9. 5., 21 Uhr, Huxley's Jr.
Der Name Country Teasers ist noch sehr untertrieben, denn Country wird von diesen Schotten nicht nur gehänselt, sondern einfach fertiggemacht. Es bleibt nicht mehr viel übrig außer ein paar blutigen Sehnen, zerfaserten Muskelfetzen und zerquetschter Seele. Die Beasts of Bourbon waren Chorknaben, das stellt man jetzt fest. Die Oblivians wissen zumindest, wie man richtig anzählt, aber dann hört's schon auf. Der Verzicht auf den Baß ist programmatisch, der Lärm aus vielen Gitarren und irgend etwas, was ein Schlagzeug sein soll, ist mit dem Ausdruck „höllisch“ zu nett umschrieben. Der gewalttätigste Doppelpack seit Asterix und Obelix, mindestens genauso lustig, wenn auch meist weniger phantasievoll und dazu noch wesentlich unmusikalischer – wenn das denn geht.
Am 10. 5., 21 Uhr, Huxley's Jr.
Maxx Baby sind einfach so doof wie ihr Name, was sie nicht davon abhält, völlig abgestoßenes Zeugs noch mal aufzuwärmen. James Brown wird zum Spielzeug-Clown, der „Get Up!“ quäkt, wenn man auf seinen Bauch drückt, und die Soul-Ballade zur Gummibärchen-Überdosis. Das klebt ganz gemein!
Am 10. 5. um 22 Uhr im Franz, Schönhauser Allee 36-39, Prenzlauer Berg
Hart zu knabbern hat man selten an Schweizer Schokolade, aber dafür sind Trom aus dem besinnlichen Alpenland wesentlich bißfester. Sie selbst nennen es „psyche-gothic“, leihen die Sangeskünste vom Metal, die rotierenden Gitarren vom frühen Dark Rock und ihr Stumpfeschlagzeug aus der Asservatenkammer, wo die übelsten Verbrechen der Rockgeschichte endgelagert werden. Doch wenn sie einen sehr guten Moment erwischen, möchte man meinen, die Sisters of Mercy wären wiederauferstanden, so als hätten sie niemals aufgehört, ihre Hörer aufzufordern: „Sing diese Verrostung für mich“. Das ist cool, Mann (Sonnenbrille auf!).
Am 11. 5., 22 Uhr, Duncker, Dunckerstraße 64, Prenzlauer Berg, Eintritt frei! Thomas Winkler
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen