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Ohne Not auf vier Milliarden verzichtet

■ Die Bündnisgrünen werfen dem Senat beim Ausbau der S-Bahn schwere Versäumnisse vor / Bonn will statt rund neun nur noch fünf Milliarden Mark zahlen / Am Mittwoch Sondersitzung im Parlament

Das Land Berlin hat nicht nur kein Geld, nein, es verzichtet auch ohne Not auf Gelder, die von Bundesministern zugesagt waren. Der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) hatte im November vor anderthalb Jahren gemeinsam mit Bahnchef Heinz Dürr bei Bundesverkehrsminister Matthias Wissmann (CDU) 8,9 Milliarden Mark „herausgeleiert“, damit die seit dem Mauerbau 1961 stillgelegten Berliner S-Bahnstrecken wieder in Betrieb und für die bis zu 60 Jahre alten Wagen neue gekauft werden können. Schriftlich war festgelegt worden, daß die Milliardensumme bis zum Jahr 2002 fließt. Doch mittlerweile ist dieser Betrag offiziell um vier Milliarden geschrumpft.

Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen warf gestern dem Senat vor, ohne Not diese Einsparung und damit den Bruch der November-Vereinbarung hingenommen zu haben. Ihr verkehrspolitischer Sprecher Michael Cramer meinte, daß etwa die S-Bahn ab 1997 bis Rathaus Spandau hätte fahren können – jetzige Planung: 1999. Auch die Unterbrechung zwischen Neukölln und Treptower Park hätte längst aufgehoben werden und der Nordring schon vor zwei Jahren wiederhergestellt sein können. Statt dessen aber sei in den vergangenen fünf Jahren – mit Ausnahme des Südrings – faktisch überall auf dem S-Bahnnetz ein Baustopp verhängt worden.

Der Verkehrspolitiker machte den Regierenden Bürgermeister, Verkehrssenator Herwig Haase, die CDU und die SPD für zehn „Kardinalfehler“ verantwortlich. So hätte der Senat bei seiner Zustimmung zum Hauptstadtvertrag im Juni vergangenen Jahres hingenommen, daß aus Hauptstadtgeldern die S-Bahnlinie 4 saniert wird, obwohl die Sanierung über den Diepgen-Dürr-Wissmann-Vertrag gesichert gewesen war. Beim Bekanntwerden von weiteren Kürzungen der ursprünglich rund neun S-Bahn-Milliarden habe es nicht einmal Protest gegeben. In Spandau sei versäumt worden, das Planfeststellungsverfahren für die S-Bahn an das längst durchgeführte Verfahren für die Regionalbahn zu koppeln. Auch habe Berlin 175 Millionen Mark Fördergelder an den Bund zurückgeben müssen, weil die Verkehrsverwaltung zu wenige Projekte geplant habe.

CDU und SPD haben nun für kommenden Mittwoch eine Sondersitzung des Verkehrsausschuses einberufen. Cramer glaubte, daß diese Sitzung ohne die im Oktober anstehenden Abgeordnetenhauswahlen nicht veranstaltet würde, freute sich aber dennoch – „für die S-Bahn“. Er erwarte, daß die SPD im Bundestag aktiv werde. Wissmann müsse sich an die damalige Vereinbarung halten. Worauf solle man sich in der Politik sonst verlassen können, wenn nicht auf schriftliche Abmachungen? Dirk Wildt

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