: Vorbeugehaft kann vier Tage dauern
■ Im Stolpe-Land soll ein Polizeigesetz verabschiedet werden / Der geheime Entwurf sieht den verstärkten Einsatz von V-Leuten und Lauschangriffe vor
Berlin (taz) – Der Entwurf der Landesregierung in Brandenburg für ein Polizeigesetz enthält so ziemlich alles, was konservative Sicherheitspolitiker seit Jahren auf ihrem Wunschzettel vermerkt haben. Etwa den „Großen“ und den „Kleinen“ Lauschangriff, den Einsatz von verdeckten Ermittlern und V-Leuten, eine bis zu vier Tage lange Vorbeugehaft. Zu guter Letzt soll auch noch der seit Jahren heftig umstrittene „finale Rettungsschuß“ auf märkischem Sand gesetzlich verankert werden.
Auf der einen Seite werden in dem 63seitigen Referentenentwurf – der Mitte März erstellt und seither unter Verschluß gehalten wird – die Eingriffsbefugnisse der Polizei sehr weitreichend definiert, auf der anderen Seite wird eingegrenzt: So soll die bisher gültige, 1990 noch zu DDR-Zeiten eingeführte Kennzeichnungspflicht für die einzelnen Polizeibeamten abgeschafft werden. Sollte der Entwurf „so eingebracht und verabschiedet werden“, heißt es denn auch in einer internen schriftlichen Stellungnahme des Justizministeriums in dem mit absoluter SPD- Mehrheit regierten Bundesland, „wäre ihm nach hiesiger Einschätzung der Beifall aller CDU-geführten Bundesländer und des Bundesinnenministeriums sicher“.
Ein regelrechter Bruch mit sozialdemokratischen Positionen ist beispielsweise die geplante Einführung einer Vorbeugehaft, die auf richterliche Anordnung hin bis zu vier Tage dauern darf. Andere SPD-regierte Länder halten einen zweitägigen „Unterbindungsgewahrsam“ für durchaus ausreichend.
Im Brandenburger Entwurf heißt es zur Begründung lapidar: „Eine solche Präventivregelung ist nach den Erfahrungen, insbesondere im Zusammenhang mit gewalttätigen Demonstrationen Rechts- und Linksradikaler sowie Ausschreitungen bei Fußballspielen, erforderlich“. Die Verfasser des Entwurfs vertreten offenbar die Meinung, daß Demonstrationen und Fußballspiele bis zu vier Tage andauern könnten.
Unbeeindruckt zeigt sich der Entwurf, der unter Federführung des Innenministeriums erarbeitet wurde, auch von der derzeitig umstritten Rechtslage im Bereich des „Großen Lauschangriffs“, das heißt beim Abhören und Aufzeichnen von Gesprächen in Privatwohnungen.
Auf Bundesebene, bei der Verabschiedung des „Verbrechensbekämpfungsgesetzes“ fand sich keine Mehrheit für eine Grundgesetzänderung, mit der das Lauschen im verfassungsrechtlich geschützten Bereich von Privatwohnungen ermöglicht werden sollte.
Im sächsischen Polizeirecht, einem der restriktivsten bundesweit, ist eine entsprechende Ermächtigung für die Polizei zur Gefahrenabwehr vorgesehen – nur wird gegen diese derzeit vor dem sächsischen Verfassungsgerichtshof geklagt. Die Brandenburger konnte das allerdings nicht abhalten, die umstrittene Regelung in ihrem Entwurf aufzunehmen.
Der von der Potsdamer Landesregierung vorgelegte Entwurf stützt sich im wesentlichen auf den seit seiner Verabschiedung umstrittenen „Musterentwurf für ein einheitliches Polizeigesetz des Bundes und der Länder“, den die Innenministerkonferenz 1977 vorgelegt hat und der 1986 wegen des „Volkszählungsurteils“ des Bundesverfassungsgerichts überarbeitet wurde.
Entsprechend dem Musterentwurf wird in der Brandenburger Vorlage nun der Einsatz sogenannter „Vorfeldmaßnahmen“ der Polizei (von der längerfristigen Observation Verdächtiger, über den Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel und verdeckter Ermittler bis hin zur Rasterfahndung) bestimmten Ausgangsvoraussetzungen unterworfen. Der Katalog dieser Voraussetzungen läßt jedoch wie in keinem anderem Bundesland einen ausufernden Einsatz dieser „Vorfeldmaßnahmen“ zu.
So soll die Polizei dem Brandenburger Referentenentwurf zufolge Personen schon dann zur „polizeilichen Beobachtung“ ausschreiben dürfen, wenn „Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß die Person Straftaten von erheblicher Bedeutung begehen wird“ (Paragraph 36 des Entwurfs).
Was Straftaten von erheblicher Bedeutung sind, ist an anderer Stelle des Entwurf in Paragraph 10 geregelt: Dabei reicht die Palette von der „Vorbereitung eines Angriffskrieges“ bis zum simplen Urkundenbetrug. Wolfgang Gast
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen