■ Kunst und Kommerz
: Eitle Publicity oder Notwendigkeit?

Ingrid Ness, 50 J., Buchhändlerin

Ich finde es nicht gut, wenn Kunst vermarktet wird. Dabei bleiben die Inhalte und die Besonderheiten des Projektes meistens auf der Strecke. Allerdings muß man sehen, daß die Leute es akzeptieren. Die Touristen lassen sich anlocken. Christo kann sich als Künstler nun mal gut verkaufen. Das hat er bei allen Projekten so gemacht.

Steffen Strauten, 16 J., Schüler

Für die Touristen ist das doch alles andere als erfreulich. Die kommen nach Berlin, um den Reichstag zu sehen, und dann können sie ihn nicht angucken, weil er eingepackt ist. Sie sind auf Postkarten angewiesen und können dann nur sagen „Pech gehabt“ und wieder nach Haus fahren. Ich bin auch Tourist und habe Glück gehabt, daß noch alles zu sehen ist. Vielleicht bin ich ja auch ein Kulturbanause.

Andreas Bona, 30 J., Elektroinstallateur

Das ist Schwachsinn. Die Straße muß gesperrt und der Verkehr umgeleitet werden. Das sind doch nur Unannehmlichkeiten für die Anwohner und den Durchgangsverkehr. Einen Nutzen sehe ich nicht in der Aktion. Ich weiß auch nicht, was man daran schön finden kann, wenn ein Gebäude eingepackt wird.

Neill Welson, 25 J., Student

Die Vermarktung der Reichstagsverhüllung macht Sinn. Wer Kunst macht, möchte doch, daß die Leute kommen und die Dinge angucken. Menschen kommen aber nur, wenn sie durch viel Publicity von der Aktion wissen. So einfach ist das doch. Ich bin Kanadier, und bei uns ist es klar, daß Kunst und Geldverdienen zusammengehören. Außerdem ist es eine gute Sache für das Image von Berlin, wenn Christo hier sein Projekt macht. Die Leute gucken sich ja dann auch die Stadt an.

Franziska Eichstätt, 53 J., Bundestagsabgeordnete

Die Reichstagsverhüllung wäre interessant gewesen, als es noch einen politischen Konflikt gab. Jetzt eine Baustelle einzuhüllen, das finde ich weder politisch noch kulturell attraktiv. Es wird ein nicht mehr akutes Problem inszeniert, insofern sagt mir die Aktion nicht viel. Früher fand ich Christos Projekte ganz toll. Sein Marketing ist notwendig, denn er muß die Aktion selber finanzieren. So sind die Regeln. Unverantwortlich wäre es, für die Aktion öffentliche Gelder auszugeben.

Erika Sonntag, 43 J., Verwaltungsangestellte

Ich finde es keine Kunst, wenn Christo den Reichstag verhüllt. Auch ich kann irgendein Bettlaken nehmen und es über etwas rüberhängen. Bei mir ist das dann auch keine Kunst. Die Publicity ist in Ordnung. Man muß schließlich die Leute hierherkriegen. Ich würde nicht nach Berlin fahren, um mir das anzugucken, aber für die Stadt lohnt es sich vielleicht. Umfrage: Nina Kaden

Fotos: Sergej Glanze/Ghost