: Militärisches Fluggerät für Gymnasiasten
■ Mit Helikoptern, Simulationsspielen und Soldatenleben lockt die Bundeswehr Kreuzberger Schüler an die Spielfront
Wenn es um die Rekrutierung von Nachwuchs geht, scheut die Bundeswehr weder Mühen noch Steuergelder. Mit zwei Helikoptern, deren Betrieb pro Stunde 16.000 Mark kostet, fliegen rund 30 SchülerInnen des Kreuzberger Leibniz-Gymnasiums Anfang kommender Woche nach Rheine zum 15. Heeresfliegerregiment. Dort sollen sich die Schüler und Schülerinnen von Montag bis Donnerstag mit einem militärischen Sandkastenspiel namens „POL&IS“ (Politik und internationale Sicherheit) beschäftigen. Die „Variante“ besteht aus wirtschaftlichen, politischen und internationalen „Sicherheitsspielen“. Die Veranstaltung findet im Rahmen des schulischen Weltkundeunterrichts statt.
Trotz der Helikopterreise und des Klassenfahrtcharakters ist das Unternehmen bei den Schülern umstritten. „Ich will mit der Bundeswehr überhaupt nichts zu tun haben“, protestiert die 18jährige Brigitte und kritisiert, daß der Rektor des Gymnasiums die Teilnahme an der Veranstaltung als verbindlich ansieht und auf einzelne Schüler Druck ausgeübt haben soll.
„Die meisten aus meiner Klasse haben einfach Angst vor dem Schulleiter und trauen sich nicht, gegen das Projekt aufzumucken“, erzählt eine andere Schülerin. Sie betrachtet das Ganze als „reine Propagandaveranstaltung“ mit dem Ziel, den angehenden Abiturienten den Beruf des Soldaten schmackhaft zu machen. „Das Spiel selbst könnte man genausogut in der Schule auf ein paar Tischen durchführen“, erzählt sie. Ihrer Meinung nach beteiligen sich ihre Mitschüler entgegen ihrer Überzeugung nur aus Furcht vor Repressalien an der Tour nach Rheine.
Major Brockmann von der Informations- und Pressestelle der Bundeswehr räumt ein, daß es ihm durchaus darauf ankomme, den Schülern und Schülerinnen den Alltag beim Militär vor Ort darzustellen. Abgesehen davon hält der Major es für „vorteilhaft“, wenn die Heranwachsenden das Strategiespiel ohne die Ablenkung durch ihre gewohnte Umgebung durchführen können. „Die Schüler waren bisher alle begeistert von POL&IS, und einzelne haben ganze Nächte durchgespielt“, berichtet der Offizier. Ziel des Spieles ist es, aufzuzeigen, wie schwierig die internationalen Beziehungen zwischen Staaten sind.
Eine Abiturientin, die im Vorjahr an der Trockenübung teilgenommen hat, erinnert sich, daß ihre Gruppe morgens mit der Trillerpfeife geweckt worden sei. „Zack, zack, die POL&IS-Spieler aufstehen!“ Die 20jährige hatte am Spiel als Militär teilgenommen und berichtet, daß die betreuenden Jugendoffiziere enttäuscht gewesen sein sollen, als eine Spielrunde ohne kriegerische Konflikte zu Ende ging. Daraufhin hatte sie vorgeschlagen, einen Militärputsch zu inszenieren. Große Begeisterung bei den Spielbetreuern: „Mach das mal! Ein Putsch hat Vorteile – auch wirtschaftliche.“ Peter Lerch
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